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Kommentar: Der Mythos lebt

Am Ende gewinnt Deutschland. Stefan Hermanns über die erfolgreiche Qualifikation für die WM in Südafrika.

Guus Hiddink ist, obwohl Holländer, ein echter Freund der Deutschen. Er mag den deutschen Fußball, die deutsche Mentalität und auch die deutsche Sprache. Allerdings besitzt er zumindest in dieser Hinsicht einen seltsamen Geschmack. Hiddink liebt Ausdrücke wie Laufpensum, „eines dieser fantastischen Wörter“, die es nur im Deutschen gibt, Wörter, die auf knappstem Raum ein Höchstmaß an Information transportieren. Gestern Abend, nach der Niederlage gegen die deutsche Fußball-Nationalmannschaft, gebrauchte Russlands Nationaltrainer ein weiteres dieser fantastischen Wörter – diesmal, um das Unerklärliche zu erklären: Durchschlagskraft.

Einmal vorm russischen Tor, gleich getroffen – und am Ende 1:0 gewonnen. Das ist es, was Hiddink mit Durchschlagskraft meint. Und besser als mit diesem Wort hätte er die traditionelle Stärke der deutschen Nationalmannschaft nicht zusammenfassen können: 55 Jahre Fußballgeschichte in 17 Buchstaben. Die Deutschen sind nicht aufzuhalten, zumindest dann nicht, wenn es um die Qualifikation für die Endrunde einer Weltmeisterschaft geht. In Moskau, gegen die gefürchteten Russen auf dem gefürchteten Kunstrasen, hat die Nationalmannschaft ihre beeindruckende Erfolgsbilanz fortgeschrieben: Noch nie ist sie in der Qualifikation zu einer Weltmeisterschaft gescheitert, von 73 Spielen hat sie gerade zwei verloren – und auswärts bleibt sie weiterhin ungeschlagen.

Solche Siege wie der in Moskau haben eine doppelte Funktion. Sie dienen den Deutschen der Selbstvergewisserung, genauso aber sind sie auch ein Signal an den Rest der Welt: Ihr könnt so viel tricksen, wie ihr wollt, schneller, besser, schöner spielen als wir; ihr könnt sogar einen Mann mehr auf dem Platz haben – am Ende gewinnen wir, notfalls weil wir einen überragenden Torwart zwischen den Pfosten stehen haben.

Das ist mehr als ein Mythos. Es ist einfach die Realität.

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