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Harald Martenstein.

© dpa

Martensteins WM: Gott straft das perfide Albion

Harald Martenstein weiß, warum die Deutschen gegen England einfach gewinnen mussten: Es war Gottes Wille.

Während der WM habe ich jetzt schon einige Spiele im Stadion gesehen. Aber nur ein einziges Mal habe ich erlebt, dass während einer Hymne gebuht wurde, und das geschah vor dem Spiel von Deutschland gegen England, ein Teil der englischen Fans buhte. Vor dem Stadion sangen sie alte Kriegslieder der British Army, die ich zum Glück nur ansatzweise verstanden habe, einer hatte Flugzeugmodelle mit Hakenkreuzen dabei, die er vor dem Stadion von englischen Flugzeugen abschießen ließ.

An den Tribünengeländern hängen die Fans üblicherweise ihre Sprüche auf. Sie haben Fahnen oder Bettlaken dabei, auf denen steht: „Gitti aus Bergen-Enkheim grüßt ganz lieb den Motorradklub!“ Die Engländer hatten aber, als die Deutschen kamen, schon so gut wie alle Plätze an den Geländern besetzt. Überall hing schon ihre Fahne. Es war genau wie in dieser Witzgeschichte über die Liegestühle an den Pools auf Mallorca, wo angeblich die Engländer schon um fünf Uhr morgens ihre Handtücher ausbreiten, damit kein anderer sich hinlegen kann, vor allem kein Deutscher.

Ich habe gelesen, dass die englischen Zeitungen diesmal etwas gemäßigter gewesen seien als üblich. Statt zehn fette, hässliche Deutsche mit Stahlhelm und Hakenkreuz zu zeigen, haben sie diesmal offenbar nur fünf gezeigt. Leider habe ich hier kein Internet, ich hätte mir gerne angeschaut, wie Sami Khedira, Jerome Boateng und Mesut Özil mit Stahlhelm und Hakenkreuz aussehen.

In Südafrika unterstützen jetzt fast alle Ghana, egal ob schwarz oder weiß, weil Ghana die letzte afrikanische Mannschaft im Wettbewerb ist. Das hat mich überrascht – dieses afrikanische Zusammengehörigkeitsgefühl. Dabei hat Afrika keine EU. Es wäre doch, trotz EU, schwer vorstellbar, dass jemals englische Fans Deutschland unterstützen, nur weil Deutschland in irgendeinem Wettbewerb das letzte europäische Team ist. Umgekehrt passiert es natürlich genauso wenig. Was hat England in der EU überhaupt verloren? Die Türkei würde doch viel besser in die EU hineinpassen, oder meinetwegen auch die Ukraine. Ich habe in der Türkei Urlaub gemacht, keine Kriegslieder, keine von Türken besetzten Liegestühle, keine Hakenkreuze.

Ich habe mit Kollegen geredet. Sie sind alle müde, sie wollen nach Hause. So eine WM ist keine Urlaubsreise. Man wohnt in schlechten Hotels, man produziert Texte am Fließband, man ist dauernd unterwegs und vermisst die Lieben daheim. Man hat die Nase voll. Viele Kollegen sagten: „Wenn Deutschland ausscheidet, wäre das gar nicht so schlecht, ich darf dann zurück. Ich sehe meine Kinder wieder. Aber gegen England ausscheiden? Nein. Da verzichte ich lieber noch ein paar Tage auf Frau und Kind. Gegen Argentinien auszuscheiden, das ist okay.“

Ein Engländer sagte zu mir: „Das ist alles nur Folklore. Das ist spielerisch. Die englischen Fans meinen es nicht so. Sie würden nicht wirklich ein Lufthansa-Flugzeug abschießen. Deutschland ist Schalke, und England ist Dortmund.“

Ich aber habe mir gedacht: Gott strafe das perfide Albion. Und da ich nun mal einen guten Draht zu dem alten Herrn da oben besitze, ist es ja auch genau so gekommen. Als die Engländer ihr zweites Tor schossen, hat Gott gedacht: „Diese Engländer, mit ihrem großen Mundwerk, die brauchen dringend einen Dämpfer. Ich werde den Schiedsrichter mit Blindheit schlagen, ich werde dieser mir in einer Schnapslaune unterlaufenen Kreatur Rooney ihre Beine verknoten, denn alles in allem sind die Deutschen gar nicht so übel, vor allem nicht Gitti aus Bergen-Enkheim.“

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