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Nationalmannschaft: Lässig in die Herzen

Nach dem Erfolg gegen Australien entdeckt Tagesspiegel-Reporter André Görke, dass das deutsche Team mit seiner Spielweise nicht nur die Sympathien der Südafrikaner gewinnt.

Rudi Völler hat auf dem Frankfurter Flughafen mächtig gestaunt. Nicht nur über das deutsche 4:0 gegen Australien, das er am Gate verfolgte, sondern auch über die anderen Fluggäste. „Alle haben sie gejubelt“, erzählt er und lächelt unter seinem Schnauzer, „die Euphorie ist riesig, egal, wo ich bin.“

Rudi Völler, 50, ist in jener Nacht nach Südafrika geflogen, jetzt steht er vor dem DFB-Quartier und nickt anerkennend. Wichtig, so ein WM-Start, sagt er, gut fürs Selbstvertrauen und so, er kenne das. 1990 haben sie bei der WM Jugoslawien im ersten Spiel 4:1 besiegt, und bei der WM 2002 – da war er Teamchef der Nationalmannschaft – haben sie zum Auftakt acht Tore gegen Saudi-Arabien geschossen. Wohin das alles führte, ist in jeder WM-Statistik nachzulesen. Völler blinzelt zufrieden in die Sonne.

Mit einigen älteren Kollegen aus der Branche ist er an diesem Dienstagmittag im Hotel Velmore erschienen. Und wenn sie in ihren Shuttlefahrzeugen zu den WM-Stadien rollen, dürfte ihnen auffallen, dass die Euphorie nicht nur in Deutschland groß ist, sondern auch hier, auf den Hügeln bei Pretoria.

Viele Südafrikaner empfinden Sympathie für diese junge, irgendwie unbekannte Mannschaft, die so erfrischenden Fußball zeigt, mit Tricks und wuchtigen Toren, wie sie nur ein Lukas Podolski unter die Latte zimmern kann. Viele im Land kennen diese Sportart nicht so richtig, aber wie sie von den Deutschen praktiziert wurde, wow, das war Werbung. Statt immer nur von Messi sprechen sie in den Vorstadtkneipen plötzlich auch von „Muller“, „Sweinsteiger“, „Ossil“ und, na klar, diesem Miroslav Klose. Am Tag nach dem 4:0-Sieg war sein Foto auf den Titelseiten der Zeitungen. Und manche Jungs, die an den Ampeln gestenreich ihre WM-Fähnchen fürs Auto anbieten, haben jetzt nicht nur Brasilien und Südafrika im Sortiment, sondern auch die schwarz-rot-goldene Version. Stückpreis: vier Euro.

Es ist kein schlechtes Arbeitszeugnis, wenn die Südafrikaner eine Zuneigung für eine Mannschaft entwickeln, die so viel mehr bietet als die gewohnten, noch immer weltweit genannten Tugenden. Eine schöne Lässigkeit ist zu spüren, wenn der Mannschaftsbus (Aufschrift: „Germany: On the road to get the Cup“) durch die Straßen rollt. Sie schürt aber auch Erwartungen vor dem nächsten WM-Spiel am Freitagmittag gegen Serbien in Port Elizabeth.

Auch den Gegnern ist der beeindruckende erste Auftritt nicht verborgen geblieben. „Ich bin bislang am meisten von den Deutschen beeindruckt“, sagt der Niederländer Wesley Sneijder. Vielleicht sei es „ein Vorteil, dass Michael Ballack nicht dabei ist. Deutschland ist nun besser, es ist mehr Schnelligkeit im Spiel“. Von all dem Lob wollen sich die Deutschen nicht blenden lassen, zu schwach waren die Australier. „Die internationalen Medien überschlagen sich“, sagt der Torschütze Thomas Müller, „wir nicht.“

Draußen aber ist Euphorie erlaubt. Da steht Uwe Seeler, lacht und verrät seine steile These für eine erfolgreiche WM: „Ich kann nur empfehlen: Den Ball sofort ins Tor hauen!“ Seeler muss es schließlich wissen. Bei der WM 1966 hat er mit den Deutschen das erste WM-Spiel 5:0 gegen die Schweiz gewonnen. Auch dieses Turnier endete nicht in der Vorrunde.

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