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Enke

© ddp

Nationalmannschaft: Robert Enke: Heimlich zur Nummer eins

Auch wenn Joachim Löw offiziell noch sucht: Bei der WM wird wohl Robert Enke im deutschen Tor stehen.

Die erste Trainingseinheit der Woche hat Robert Enke vornehmlich in stehender Haltung verbracht. Während seine beiden Torhüterkollegen Manuel Neuer und René Adler sich auf der einen Seite des Feldes beim Torschusstraining der deutschen Fußball-Nationalmannschaft auch im In-Fight bewähren mussten, nahm Enke auf der anderen nur pro forma an den Positionsübungen der Defensive teil. Später war er beim ungezwungenen Plausch mit Torwarttrainer Andreas Köpke zu beobachten. Fast hätte man den Eindruck gewinnen können, Enke habe es wohl nicht mehr nötig, sich richtig reinzuhängen. In Wirklichkeit wurde der Torhüter geschont, nachdem er Anfang der Woche unter einer leichten Grippe gelitten hatte.

Nachlässigkeiten darf sich Enke schon deshalb nicht leisten, weil der Kampf um den Platz im deutschen Tor offiziell weiterhin als offen gilt. „Ich möchte den Konkurrenzkampf“, sagt Bundestrainer Joachim Löw. Inoffiziell ist eine Vorentscheidung für die WM 2010 wohl schon gefallen. Robert Enke wird bei allen noch ausstehenden Qualifikationsspielen im Tor stehen: am Mittwoch in seinem Heimstadion Hannover gegen Aserbaidschan, im Oktober in Russland und gegen Finnland, und, falls nötig, auch in den beiden Relegationsspielen im November. Die restlichen drei Bewerber, Adler, Neuer und Tim Wiese, dürfen sich lediglich in Freundschaftsspielen präsentieren, beginnend mit Adler am Samstag gegen Südafrika (20.45 Uhr, live im ZDF).

Von Enke ist keine triumphale Reaktion überliefert. Der Hannoveraner besitzt einen eigenen Kopf, der ihn auch die Überdrehtheiten seiner Branche mit Distanz bewerten lässt. Zum Beispiel kann er sich wunderbar darüber erregen, dass es die Entscheidung im ersten deutschen Torwartkrieg (Kahn versus Lehmann) zur Spitzenmeldung in der Tagesschau gebracht hat – als gäbe es nichts Wichtigeres auf der Welt. Schon deshalb wird es Enke umso mehr gefreut haben, wie es diesmal gelaufen ist: so heimlich und leise, wie es seinem Naturell entspricht. Die Nachricht, dass der deutsche Fußball wieder eine richtige Nummer eins hat, ist fast ein bisschen untergegangen.

„Im Moment hat Robert einen kleinen Vorsprung“, sagt Joachim Löw. „Ende des Jahres werden wir neu diskutieren.“ Das hört sich unsicherer an, als es in Wirklichkeit ist. Löws Taten sagen mehr als seine Worte. Enke ist der Mann, dem der Bundestrainer in kniffligen Situationen vertraut, andernfalls würde er ihn nicht in der Qualifikation spielen lassen.

Der Hannoveraner war immer schon so etwas wie sein bevorzugter Kandidat: Mit 32 Jahren bringt Enke die meiste Erfahrung mit, er wird von den Kollegen akzeptiert, erfüllt alle Anforderungen des modernen Torwartspiels – und besitzt zudem im Bundestorwarttrainer einen wichtigen Fürsprecher. Auch Andreas Köpke, ähnlich spät in die Nationalmannschaft berufen wie Enke, musste immer gegen den Makel ankämpfen, dass er ja nur bei mittelmäßigen Vereinen unter Vertrag stehe. Wenn Enke sich jetzt als Nummer eins bewährt, darf Köpke sich als Torwart noch einmal neu bestätigt fühlen.

Aber das ist nur ein subjektiver Nebenaspekt, auch objektiv gibt es gute Gründe für Enke. Selbst sein Konkurrent René Adler muss „anerkennen, dass diese Entscheidung absolut nachvollziehbar ist“. Der 24 Jahre alte Leverkusener ist so etwas wie der prominenteste Verlierer der aktuellen Entwicklung, prominenter noch als Wiese, den Löw ohnehin nie richtig wollte. Im Duell um die Gegenwart hat erst einmal Enke den Vorzug vor Adler bekommen, und im Duell um die Zukunft scheint inzwischen der Schalker Manuel Neuer, 23, in der besseren Position zu sein. Neuer ist Deutschlands neue Perspektivnummer eins.

Vor knapp einem Jahr war Adler diese Rolle noch zugedacht. Er galt als der neue deutsche Siegfried, blond und unbezwingbar. Die Kritiken nach seinem Länderspieldebüt gegen Russland fielen geradezu hymnisch aus: Die Torhüternation Deutschland hatte ihren neuen Liebling gefunden. Inzwischen aber ist die öffentliche Erregung wieder auf normales Maß zurückgefahren. „Das ist der Lauf der Zeit“, sagt Adler. Die Hoffnung auf mehr als ein paar Freundschaftsspiele hat er trotzdem noch nicht aufgegeben. „Das Ziel heißt ganz klar, die Nummer eins zu sein“, sagt Adler. Das gilt schon für den nächsten Sommer in Südafrika. „Mir reicht es nicht, nur dabei zu sein – das ist nicht mein Anspruch“, könne es für ihn als Sportsmann auch gar nicht sein.

Hoffentlich weiß Adler, dass ein Sportsmann sich auch dadurch auszeichnet, dass er Niederlagen akzeptieren kann.

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