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Uruguay - Deutschland vor 40 Jahren. Gerd Müller 1970 im Spiel um Platz drei im Zweikampf mit Atilio Ancheta (r.)

© dpa

Rückblick: Deutschlands WM-Spiele um Platz drei

Ein Bräutigam glänzt, der Titan wird gefeiert: Tagesspiegel-WM-Reporter Sven Goldmann blickt auf die bisherigen Spiele der Deutschen um Platz drei zurück.

1934: Deutschland – Österreich 3:2

Die Geschichte mit der Hochzeit hat Reinhold Münzenberg später oft erzählt. Besser gesagt: die Geschichte von der ausgefallenen Hochzeit. Reinhold Münzenberg zählt in den dreißiger Jahren zu den besten Verteidigern Deutschlands, und 1934 hat er die wohl kurioseste WM-Nominierung aller Zeiten erhalten. Alles beginnt damit, dass Reichstrainer Otto Nerz den Verteidiger Siggi Haringer nach der 1:3-Niederlage im Halbfinale gegen die Tschechoslowakei bei einer unglaublichen Disziplinlosigkeit ertappt: Der Mann isst eine Apfelsine. Nerz ist ein strammer Nazi, er bittet zum Weckappell mit der Trillerpfeife, lässt seine Spieler im Stechschritt auf den Platz marschieren und dort den Arm zum Hitlergruß heben. Pro Tag und Spieler ist ein Glas Orangensaft gestattet, und wie er den Haringer da auf dem Bahnhof von Neapel mit der Apfelsine erwischt, gegen seine ausdrückliche Anweisung, da ist die WM für den Münchner beendet. Für Nerz hat das den unangenehmen Nebeneffekt, dass ihm langsam die Verteidiger ausgehen, denn vorher ist schon der Frankfurter Rudi Gramlich abgereist. Per Telegramm nominiert der Parteigenosse Reichstrainer den Aachener Münzenberg, der eigentlich seine Hochzeit im Kopf hat. Münzenberg vertröstet seine Braut und nimmt den nächsten Zug nach Neapel. Der Augsburger Lehner schießt beim 3:2 von Neapel zwei Tore, das dritte gelingt dem Saarbrücker Edmund Conen, aber der beste Mann auf dem Platz ist der verhinderte Ehemann Reinhold Münzenberg.

1958: Frankreich – Deutschland 6:3

Selten hat eine Niederlage die deutsche Nationalmannschaft so schwer getroffen wie das 1:3 im Göteborger WM-Halbfinale gegen Schweden. Fritz Walter ist verletzt vom Platz gegangen, Erich Juskowiak vom selben geflogen nach einer Tätlichkeit, dazu kommt die als feindselig empfundene Stimmung im Stadion. Bundestrainer Sepp Herberger bietet im Spiel um Platz drei eine bessere Ersatzmannschaft auf. Das hat Konsequenzen vor allem für zwei Spieler: Der Franzose Just Fontaine schießt gegen die müden Deutschen seine WM-Tore zehn bis dreizehn, was vor und nach ihm niemand geschafft hat. Fontaine ist der strahlende Held des Spiels, der tragische kommt aus der deutschen Mannschaft. Heinrich Kwiatkowski, Torhüter von Borussia Dortmund, macht hinter der verunsicherten und nicht eingespielten Abwehr sein zweites WM-Spiel. Das erste liegt vier Jahre zurück und hat es auch zu einer Berühmtheit gebracht: In der Vorrundenpartie gegen Ungarn in Basel hütet er das Tor jener Verlegenheitsmannschaft, die 3:8 untergeht und den Gegner für das spätere Finale in trügerischer Sicherheit wiegt. Damit kommt Kwiatkowski auf eine WM-Bilanz von durchschnittlich sieben Gegentoren. Nach dem Debakel von Göteborg bittet Kwiatkowski den Bundestrainer darum, ihn mit Länderspieleinsätzen zu verschonen.

1970: Deutschland – Uruguay 1:0

Die Deutschen sind müde, als sie drei Tage nach dem Jahrhundertspiel gegen Italien noch einmal ran müssen bei der WM in Mexiko. Willi Schulz ist mit 32 Jahren einer der Ältesten, aber immer noch so ehrgeizig, dass er unbedingt dabei sein will im Spiel um Platz drei gegen Uruguay. In der Mannschaftssitzung aber teilt Bundestrainer Helmut Schön dem Hamburger mit, dass er nur auf der Bank sitzen wird, als Ersatz für Karl-Heinz Schnellinger. Die folgenden Minuten sind nie zweifelsfrei rekonstruiert worden, aber in der Kabine meldet Schulz sich ab. Er hat seine Schuhe im Hotel vergessen, zum Zurückfahren reicht die Zeit nicht mehr, und da Schulz sehr kleine Füße hat, Größe 7, findet sich auch kein Ersatzpaar. Zunächst schaut Schulz von der Bank zu, wie die Uruguayer die müden Deutschen nach Wolfgang Overaths Führungstor in Grund und Boden spielen. Als Schnellinger sich verletzt und ausgewechselt werden muss, verkriecht Schulz sich mit schlechtem Gewissen in der Kabine. Willi Schulz spielt danach noch drei Jahre für den HSV in der Bundesliga. Aber nie wieder in der Nationalelf.

2006: Deutschland – Portugal 3:1

Zum ersten Mal ist das Spiel um Platz drei nicht mehr nur eine lästige Pflichtangelegenheit für gedemütigte Verlierer. Stuttgart feiert das letzte Kapitel des Sommermärchens, und Oliver Kahn darf noch ein letztes Mal das Tor der Nationalmannschaft hüten, was Bundestrainer Jürgen Klinsmann zu einer seiner inzwischen berühmten pathetischen Ansprachen nutzt. Ein gewisser Bastian Schweinsteiger schießt zwei Tore, was ihn ein wenig dafür entschädigt, dass er zuvor beim 0:2 im Halbfinale gegen Italien nicht zur Startformation gehörte. Ansonsten wird viel gefeiert, erst im Stadion und später vor dem deutschen Mannschaftshotel. Dabei geht ein wenig unter, dass in Stuttgart einer der ganz Großen des Weltfußballs verabschiedet wird. Portugals Kapitän Luis Figo läuft zum 127. und letzten Mal für die Selecção auf.

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