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Südafrika: Die WM ist bei den Menschen angekommen

Südafrika wird bis zum nächsten Sommer noch einige Probleme lösen müssen, es hat sich aber schon einiges verbessert.

Ein halbes Jahr vor der Fußball-WM sind die Vorbereitungen in Südafrika gut vorangekommen; ein Entzug des Turniers ist schon lange kein Thema mehr. Es gibt aber auch noch einige Probleme. Eine Übersicht:

Was sich verbessert hat

Die Stimmung im Land: Trotz der schwierigen Wirtschaftslage spürt man die Vorfreude der Südafrikaner auf die WM. Erstmals finden sich nun auch im Straßenbild Hinweise auf das Turnier. Verblüffend ist für einen Europäer dabei immer wieder die enorme Spontaneität der Südafrikaner. Während man in Deutschland mit der Planung für ein Großereignis oft Wochen vorher beginnt, warten die Südafrikaner bis zum letzten Moment – und schaffen es mit einem Kraftakt dann doch noch, ganze Straßenzüge wie jetzt am Wochenende für eine große Party herzurichten. In der Long Street in Kapstadt dürften am Freitag bis zu 20 000 Menschen die Auslosung auf Großbildschirmen verfolgen – ein Indiz, dass die WM bei den Menschen angekommen ist.

Die Stadien: Der vor großen Turnieren übliche Rückstand im Stadionbau gehört in Südafrika zu den kleinen Sorgen der Veranstalter. Erst im Oktober hatte eine Fifa-Delegation die zehn WM-Stadien erneut begutachtet – und zeigte sich zufrieden. Besonders schnell sind die drei vom deutschen Architekturbüro gmp entworfenen Stadien an der Küste vorangekommen. Zuerst wurde zur Jahresmitte die 180 Millionen Euro teure Arena in Port Elizabeth übergeben. Am Wochenende wird das Stadion in Durban mit einem Freundschaftsspiel zweier lokaler Klubs eingeweiht. Und in Kapstadt erfolgt die offizielle Übergabe der 400 Millionen Euro teuren Arena am 14. Dezember – zwei Monate vor dem eigentlichen Termin. Noch im Bau befindet sich allein das von Grund auf neu errichtete Stadion Soccer City in Johannesburg – das Herz des südafrikanischen Fußballs und Austragungsstätte von Eröffnungs- und Endspiel.

Der Kampf gegen Aids: Auch Südafrika hat nun, allerdings mit jahrelanger Verspätung, den Kampf gegen die Aidsepidemie aufgenommen. Laut einer Studie der US-Universität Harvard starben in der Amtszeit von Präsident Thabo Mbeki mindestens 300 000 Südafrikaner, deren Tod durch eine aktive Aidspolitik hätte verhindert werden können. Sein Nachfolger Jacob Zuma will nun entschlossener vorgehen. Erst zu Wochenbeginn kündigte er an, deutlich mehr Patienten kostenlos mit Medikamenten zu versorgen. Für Südafrika ist damit sehr spät eine neu Ära angebrochen, denn für die mehr als 1000 Menschen, die täglich an Aids sterben, kommt die Neuausrichtung zu spät.

Die Wirtschaftskraft: Erleichterung brachte diese Woche die Kunde, dass Südafrikas Wirtschaft allmählich aus der Rezession herausfindet. Nachdem sie in den drei vorangegangenen Quartalen geschrumpft war, ist die Wirtschaftsleistung im dritten Quartal um 0,9 Prozent gestiegen. Die Inflation ist im Oktober auf 5,9 Prozent gefallen. Und schließlich profitiert Südafrika vom hohen Goldpreis, der zur Wochenmitte auf das neue Rekordhoch von 1200 US-Dollar stieg. Dennoch geben Experten noch keine Entwarnung. Besonders stark macht dem Land der hohe Kurs des Rand zu schaffen, der sich seit Jahresbeginn um 25 Prozent gegenüber dem Dollar aufgewertet hat. Zudem schlagen die drastisch gestiegenen Energiekosten schwer zu Buche.

Was sich noch verbessern muss

Die Flugpreise: Für Empörung sorgen bereits jetzt die hohen Flugpreise während der WM. Selbst die drei Billig-Airlines werden ihre Preise wohl um 300 bis 400 Prozent erhöhen. Ähnliches gilt für Überseeflüge, die um das Doppelte steigen werden, weil bislang praktisch keine Gesellschaft zusätzliche Flüge offeriert. Nach Angaben von Travelstart wäre es nicht ungewöhnlich, wenn die Preise auf bis zu 3000 Euro für die Economy-Klasse stiegen. Normalerweise kostet ein Economy-Flug 700 bis 900 Euro.

Der Transport der Fans im Land: Das im September zeitweise in Johannesburg eingeführte Schnellbussystem BRT kommt nicht voran. Das Milliardenprojekt ist essenziell für einen reibungslosen Ablauf der WM, aber bislang von der Taxilobby mit zum Teil gewalttätigen Protesten und Streiks bekämpft worden. Die Branche, die mit ihren Minibustaxen bisher 70 Prozent des öffentlichen Nahverkehrs kontrolliert, betrachtet das System als Konkurrenz. Vor drei Wochen ist das Schnellbussystem in Johannesburg abrupt eingestellt worden, weil die Pläne chaotisch und Tickets schwer erhältlich waren. Von der Bevölkerung wird das System nicht angenommen. Auch in Kapstadt und Port Elizabeth gibt es Probleme.

Die Sicherheit: Die größte Sorge bereitet den Organisatoren nach wie vor die Sicherheit – auch wenn dies niemand offen eingesteht. Zwar hat die Polizei mehr als 1,35 Milliarden Rand in die WM investiert, doch ist die Wirkung gering. Das größte Problem ist dabei die hohe Alltagskriminalität in den Townships, mit der ausländische Besucher aber so gut wie nie konfrontiert werden. Die Polizei hat hier keine Lösung parat. So werden No- Go-Areas oft nicht benannt, weil dies die Regionen in Misskredit bringen würde. Während Kapstadts City zumindest tagsüber sicher ist, gilt das Stadtzentrum von Johannesburg als gefährlich.

Bafana Bafana: Obwohl Südafrikas Nationalteam seit ein paar Wochen mit Carlos Alberto Parreira einen alten Bekannten als Coach hat (er trainierte das Team bis vor zwei Jahren), hat sich an dem lustlosen Gekicke der Mannschaft nichts geändert. Nach einer Serie von acht Niederlagen und zwei torlosen Heimspielen gegen Japan und Jamaika herrscht allgemeine Ratlosigkeit. Noch nie war ein Team, das an einer WM teilnahm, derart schlecht platziert wie jetzt Südafrika. Auf der aktuellen Fifa-Rangliste stehen die Bafanas nur auf Platz 86.

In einem speziellen Live-Ticker können Sie, liebe Leser, die WM-Gruppen-Auslosung am heutigen Freitagabend ab 17.45 Uhr auf unserer WM-Sonderseite www.tagesspiegel.de/wm2010 verfolgen. Viel Spaß!

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