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Schwerer Job: Die Schiedsrichter bei der WM müssen nicht nur den Ball im Blick behalten.

© ddp

WM im Gespräch: Schiedsrichter unter der Lupe

Manchmal sind es nur Zentimeter, manchmal gar Meter: Die Abseitstore bei der WM lösen heftige Debatten aus.

Wenn es doch so einfach wäre wie damals bei Hennes Weisweiler. „Abseits is', wenn dat lange Arschloch zu spät abspielt“, so die simple Regelkunde des Gladbacher Kulttrainers. Günter Netzer, den Weisweiler meinte, trägt dieser Tage höchstens verbal zur Debatte bei, die wieder einmal um Passus 11 des Fifa-Regelwerks entbrennt.

Mexiko gegen Frankreich. Nach einem Steilpass steht Javier Hernandez plötzlich ganz alleine in der gegnerischen Hälfte und schiebt locker zum 1:0 ein. Abseits! Oder? Neuseeland gegen Italien: Shane Smeltz befindet sich bei der Kopfballverlängerung seines Teamkollegen Reid einen Schritt näher zum Tor als alle anderen. Der Treffer zählt. Argentinien gegen Mexiko: Carlos Tevez, so zeigt das Standbild zweifelsfrei, ist der letzte Spieler vor der Torlinie. Das Tor zählt. Spanien gegen Portugal. Xavi passt den Ball zu David Villa, der trifft im Nachsetzen. Doch auch hier: Abseits, hauchdünn.

Kein Lapsus der Unparteiischen entgeht den Beobachtern. Auch dank modernster Technik: Kameras in der Fluchtlinie der Strafraumgrenzen, gestochen scharfe Standbilder und die mittlerweile obligate Computerlinie, die das Spielfeld auf Knopfdruck in Hell und Dunkel, Gut und Böse unterteilt, erleichtern den Unbeteiligten die Entscheidung.

Das erhöhe den Druck auf das Schiedsrichtergespann deutlich, sagt Eugen Striegel, ehemaliger Bundesligaschiedsrichter und heutiges Mitglied der DFB-Schiedsrichterkommission. „Früher gab es nur eine Hauptkamera in der Mitte des Spielfeldes, die konnte solche Situationen gar nicht auflösen“, kommentiert er die Diskussion um den spanischen Führungstreffer gegen Portugal. Striegel erklärt die schwierige Aufgabe der Assistenten an den Seitenlinien: „Zum einen müssen sie das Abspiel im Auge behalten, gleichzeitig aber auch den Spieler. Das ist kaum möglich.“

Weil auch das Spiel immer schneller wird und kaum eine Mannschaft nicht auf Abseits spielt, entscheiden immer öfter Zehntelsekunden und Zentimeter. Der Mexikaner Hernandez stand bei der Ballabgabe Fuß an Fuß mit dem französischen Verteidiger, nur sein Oberkörper ragte in die Abseitszone. „Alle Körperteile, mit denen man ein Tor erzielen kann, sind ausschlaggebend“, erklärt Striegel. Eigentlich also ein irreguläres Tor. Aber erneut eine mehr als schwierige Entscheidung für den Linienrichter.

„Im Zweifel für den Stürmer“ ist ein Satz, den man zu diesem Thema oft hört. Striegel sagt: „Das wird immer dann angeführt, wenn ein Assistent mal gleiche Höhe abwinkt. Bei strittigen Toren wird das höchstens am Rande mal erwähnt.“

Um ganz sicher zu gehen, kann man es machen wie die Deutschen. Abstoß Neuer, Tor Klose. Denn: Beim Torabstoß gilt – genau wie bei Einwürfen und Ecken – die so heiß debattierte Abseitsregel nicht. Johannes Ehrmann

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