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Schützen fürs Fest.

© dpa

WM mit Risiken: Die Unsicherheitslage

Alleingänge verboten: Der DFB hat seine Spieler auf die Risiken in Südafrika vorbereitet – wenigstens werden diesmal kaum deutsche Hooligans erwartet

Sir Alex ist der Außenverteidiger der Nationalmannschaft. Ein Kerl mit Unterarmen, so dick wie Auspuffrohre beim Manta-Treffen. Und Sir Alex ist nur einer von sechs, pardon, Schränken – anders kann man die durchaus netten, aber vor allem durchtrainierten Personenschützer nicht nennen, denen der Deutsche Fußball-Bund (DFB) die Nationalmannschaft anvertraut hat.

Sir Alex, wie sie den Briten nennen, und seine Kollegen haben mit südafrikanischen und deutschen Polizisten Quartier am WM-Hotel bezogen. In ihrem Van werden sie dem Mannschaftsbus zu den Spielen hinterherfahren. Die Kriminalität spielt eine der wichtigsten Nebenrollen bei dieser WM, jeder Raubüberfall wie der auf asiatische Journalisten am Donnerstag ist eine Meldung wert.

Das Hotel der Nationalmannschaft wird streng abgeschirmt. Spontane Spaziergänge oder Fahrradtouren sind nicht gestattet. „Die Spieler können sich nicht so frei bewegen wie bei der WM 2006 oder auch bei der EM in der Schweiz und Österreich, wo sie einfach mal einen Kaffee trinken gehen konnten im Ort“, sagt Helmut Spahn, der Sicherheitschef des DFB. Um den Spielern die Angst zu nehmen, hat die Teamleitung im Trainingslager in Südtirol Infoabende veranstaltet und Broschüren verteilt.

Die Statistiken zur Kriminalität im WM-Gastgeberland sind erschreckend: 50 Morde pro Tag und 150 Vergewaltigungen. Mehr als 40 000 zusätzliche Polizisten während der WM. Und immer wieder Horrorgeschichten von Autofahrern, die abends an der Ampel aus dem Fahrzeug gezerrt werden. Das Bild mag schwarz gemalt sein, aber ein flaues Gefühl bleibt. Kürzlich erst wurden die Nationalspieler von Kolumbien in Johannesburg um mehr als 2000 Dollar beraubt, weil zwei Hotelmitarbeiter den Zentralschlüssel benutzten, um ausführlich im Gepäck ihrer Gäste zu wühlen, während die über den Fußballplatz rannten (wie es übrigens auch Ägypten während des Konföderationen-Pokals 2009 passiert ist). Das schürt auch bei Fans Misstrauen, die in einfachen, weniger bewachten Hotels wohnen. Gut 40 000 Eintrittskarten sind nach Deutschland geschickt worden.

Eine Plage könnte dafür diesmal überschaubarer ausfallen als sonst bei großen Turnieren: die Hooligans. Auch aus Deutschland. So hat es Ingo Rautenberg angekündigt, der Leiter der Zentralen Informationsstelle Sporteinsätze in Neuss, also der Polizeibehörde, die alle Informationen über Gewalttäter beim Fußball sammelt und auswertet. „Wir rechnen nicht mit der Anreise einer großen Menge gewaltsuchender oder gewaltbereiter Fans“, hat er gesagt, bevor er ein achtköpfiges Team von szenekundigen Beamten nach Südafrika entsandte. Bei der EM vor zwei Jahren waren noch 31 deutsche Beamte im Einsatz, um aufzuklären, Gefahren zu erkennen und Straftäter zu identifizieren.

Zu teuer. Zu weit weg. Kein Zeitunterschied zu Deutschland, da kann man gleich zu Hause gucken. Diese Gründe hat Rautenberg für die nicht erwartete Invasion der Hooligans ausgemacht. Und warum dann überhaupt acht deutsche Beamte nach Südafrika? Weil man nie wissen könne. Außerdem werde der Einsatz von den südafrikanischen Behörden bezahlt. Die wollten ausdrücklich beraten werden. Sie seien auch „Übersetzer von Verhaltensweisen“, sagt der deutsche Delegationsleiter Hendrik Große Lefert. Dass sich zum Beispiel Fußballfans gegenseitig anpöbeln, sei in Südafrika unbekannt, da könnten die deutschen Polizisten erklären, was Folklore ist und was wirkliche Bedrohung.

Waffen tragen sie keine, nur eine blaue Weste mit dem Aufdruck „Police“. „Mit Ärger rechne ich nicht“, sagt Helmut Spahn, „die Klientel bei dieser WM ist eine ganz andere als in Europa. Die werden sich eher freuen, mal mit einem deutschen Polizisten reden zu können.“ Die Sicherheitsbeamten lassen sich an den Fanbotschaften der Deutschen blicken. Diese Stände werden vom DFB und der Deutschen Botschaft mitfinanziert und an den Stadien aufgebaut. Dort soll den Fans auch geholfen werden, wenn ihnen etwa der Reisepass oder die Geldbörse geklaut wurden.

Helmut Spahn, der übrigens sechs Jahre Chef der Elitepolizisten vom SEK in Frankfurt am Main war, kennt die Angst in Südafrika nur zu genau. Vor drei Jahren war er mehrere Wochen am Kap. In der Silvesternacht wollte er mit seiner Familie auf den Tafelberg, es waren nur knapp 1000 Meter Fußweg. Als sie losliefen, rief die Besitzerin seines Ferienhauses: Wollen Sie nicht besser das Auto benutzen?! Es war mehr eine Aufforderung als eine Frage. „Das sind so Kleinigkeiten, auf die sich die Fans auch bei der Fußball-WM einstellen müssen“, sagt Spahn. Ihm sei letztlich gar nichts passiert. Und Sir Alex, der muskulöse Personenschützer, fiel im WM-Trainingslager in Südtirol vor allem dadurch auf, dass er mit großer Freude Autogrammkarten der Fußballer an aufgeregte Kinder verteilte.

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