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Haltung bewahren: Italiens Trainer Marcello Lippi hat sich im Griff.

© AFP

WM-Trend: Wie Lippi, Hitzfeld und Rehhagel Halt suchen

Auch Trainer brauchen etwas zum Festhalten, zur Sicherheit. In Südafrika werden die Übungsleiter nicht zuletzt deshalb zu Trainern von der Stange.

Früher reagierten sich Trainer an arglos herumstehenden Kühlboxen ab und traten sie in hohem Bogen ins Jenseits, wenn das Spiel nicht lief. Sie tigerten über die Tartanbahn, auf der Suche nach einem Ventil oder noch besser: einem Sündenbock, den sie würgen konnten. Doch das ist vorbei. Längst hat man sie in ihre Coaching Zone gepfercht. Sie tigern nicht mehr, sie sitzen im unsichtbaren Käfig, und ihnen ist, „als ob es tausend Stäbe gäbe / und hinter tausend Stäben keine Welt“ (Rilke, „Der Panther“).

Das lärmige Vuvuzela-Getröte bei der WM tut sein Übriges: Die Übungsleiter sind zu Solitären geworden, ohne jeden Einfluss auf ihre Mannschaft, die sie nicht hören kann, und auf sich selbst zurückgeworfen. Wohin bloß mit ihrem Masterplan und wohin mit der Wut, wenn dieser Masterplan nicht aufgeht?

Einen Service immerhin hat die Fifa ihnen zugestanden: Sie hat Stangen an den Ersatzbänken anbringen lassen. Zum Festhalten, zur Sicherheit. Und so sah man Marcello Lippi, 62, Otto Rehhagel, 71, und Ottmar Hitzfeld, 61, in Großaufnahme wie duschende Greise: kraftlos-welk ob der Leistung ihrer Mannschaften, und doch dank einer Installation aus dem Sanitätshaus gegen den harten Sturz auf den Beton gesichert. Otto krallte sich fest, Ottmar klammerte, Lippi sank entlang, die Stangen wurden ihr letzter Halt in einer immer wilder tosenden Welt. Oder war es doch nur das Duschwasser, das da in ihren Ohren brauste? Wo waren sie? Man wird nicht jünger.

Doch die geniale Erfindung der Ersatzbank-Ingenieure dient nicht nur der Generation 60 plus. Auch der juvenile Joachim Löw (50) war froh um den Metallbügel, sonst wäre selbst er dahin gesunken. Miro sieht Rot, Poldi verschießt, Özil vergibt – wohin mit dem Frust? Neben Löw lächelt der treue Flick, den will er nicht kasteien – und Wiese? Lieber nicht. Alle Wut fließt nach innen, das schwächt, die Knie drohen zu versagen... Ah, die Stange! Das Metall kühlt die Stirn. Er hält sich fest, er hält sie fest. Wenigstens die Stange bringt stabile Leistung. So steht Löw da, sicher, aber einsam. Und blickt auf den Platz. „Dann geht ein Bild hinein, / geht durch der Glieder angespannte Stille – / und hört im Herzen auf zu sein“ (auch Rilke, „Der Panther“).

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