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Es zwitschert. Der ehemalige Nationaltorhüter Jens Lehmann während der EM 2008 im Mannschaftshotel in Ascano.

© dpa

Fußballer und Twitter: A grandios Apfelkuchen

Fußballprofis twittern immer und gerne. Doch so richtig unterhaltsam sind zumindest in Deutschland nur die Nachrichten ihrer Imitatoren.

Es war ein Dienstagmorgen, und Robin Dutt hatte beste Laune. „500 Follower!“, schrieb er stolz bei Twitter: „Bei 1000 krempele ich den DFB um.“ Klare Ansage, garniert noch mit dem Schlagwort „#revolution“. Entsetzte Gesichter wird es an der Frankfurter Otto-Fleck-Schneise, im Hauptquartier des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), dennoch kaum gegeben haben. War natürlich nicht der echte Dutt. Und auch der humorige Kommentar zu Roman Weidenfellers Geburtstagsfoto, „We have a grandios Apfelkuchen gebacken“, stammte nicht vom DFB-Sportdirektor.

Nein, das Profil @Robin_Dutt ist ein Fake, es wird von einem der vielen anonymen Spaßmacher betrieben, die sich im Internet tummeln. Und Profile pflegen, die scheinbar Joachim Löw, Oliver Kahn oder Michael Ballack gehören. Wer sich nicht so gut auskennt, der kann sich zunächst einmal leicht in die Irre führen lassen – denn die Profilfotos sind echt, die Namen meist auch. Immer zahlreicher werden sie, die falschen Fußball-Promis im Internet, und nur der geübte Nutzer entlarvt sie schnell: Ihnen fehlt das hellblaue Gütesiegel mit dem Häkchen hinter dem Namen, mit dem Twitter die echten Profile prominenter Menschen hervorhebt.

Wer nun ein bisschen in dieser Subkultur herumstöbert, dem Bundestrainer tief in die Mundart blickt oder mit Fredi Bobic in die Kabinengeheimnisse des VfB Stuttgart einsteigt, der ertappt sich irgendwann bei dem Gedanken, dass es doch eigentlich ein bisschen schade ist. Wäre es nicht eine Freude für alle Beteiligten, wenn tatsächlich der echte Kahn twittern würde: „Ich bin zu geil, ich bin zu geil, ich bin zu geil für diese Welt!“ Oder wenn Bayerns Jerome Boateng seinen Hintergrund mit den „Bild“-Fotos seiner sommerlichen Lobby-Bekanntschaft Gina-Lisa Lohfink bestücken würde wie es sein unechtes Pendant @ChezRomeBoateng tut?

Ein ziemlich utopisches Szenario, zugegeben. Man müsste sich dafür schließlich nicht nur den Autorisierungseifer von Klubs und Verbänden, sondern auch die hysterischen Reaktionen vieler Medien wegdenken, die jeden noch so kleinen Satzfetzen aufklauben und nach ihrem Gusto breitschlagen.

In England ist man dieser Utopie jedoch ein ganzes Stückchen näher. Hier twittern aktuelle und ehemalige Profis häufiger und tendenziell weniger steif. Und manchmal sogar mit Witz. Ex-Nationalspieler Robert Huth beispielsweise hat in mehr als zehn Jahren auf der Insel offenbar einiges an landestypischem Humorverständnis aufgenommen. Seine Selbstbeschreibung bei Twitter lautet: „Innenverteidiger für Stoke City. Ziemlich kleiner Kopf für solch einen mächtigen Kiefer.“ Und als Teamkollege Ryan Shawcross Anfang des Jahres einen neuen Vertrag unterschrieb, freute sich Huth über „garantierte fünf Eigentore pro Saison für die nächsten sechs Jahre“. Natürlich, bitte mal alle kurz entspannen: ein Spaß!

Und wenn nicht, sind hübsche Kontroversen inbegriffen: Dem emsigen Twitterer Rio Ferdinand brachte eine diffamierende Nachricht gegen Ashley Cole in der Rassismus-Kontroverse um John Terry eine happige Geldstrafe durch den englischen Verband ein. Und in welche Abgründe man mittels Twitter-Kurznachrichten binnen Minuten stürzen kann, bewiesen im Januar Dietmar Hamann und Joey Barton, die einen bald legendären Streit ausfochten, in dessen Folge Hamann sich „Koksnase“ und sein Leben einen „Autounfall“ nennen lassen musste.

Ungeachtet aller Geschmacklosigkeiten ist all das immer noch deutlich unterhaltsamer als die Belanglosigkeiten, die die meisten deutschen Fußball-Profis in der Regel veröffentlichen. Sie scheinen irgendwo zwischen den strikten Auflagen ihrer Geldgeber und dem eigenen diffusen Mitteilungsbedürfnis gefangen. Heraus kommen dann neben Reklamehinweisen auf das neue Schuhmodell des Sponsors meist Tweets wie „5:2 – das hat Spaß gemacht“ (Mesut Özil) oder „Guten Morgen :) Good Morning :)“ (André Schürrle).

Doch offenbar gibt es selbst dafür einen Markt. Özils News verfolgen immerhin knapp 1,3 Millionen Menschen. Für diejenigen jedoch, die sich gerne an frühere, zotige Zeiten erinnern, sei auf das Profil von Peter Neururer hingewiesen, das zwar gefälscht ist, aber komplett auf authentischen Zitaten des Alttrainers basiert. „Karriere, Leben – bei mir ist alles irre“, liest der Fan dort und sehnt sofort die Typen von früher herbei, die echten, die wahren, die Bonbon-Ristics oder Mundart-Steppis, die es damals haufenweise gegeben hat. Und weiß doch, dass sie nie mehr wiederkommen werden. Vielleicht ja auch gut so. Aber womöglich hilft dieses aus der Zeit gefallene Beispiel auch, nicht alles immer so wahnsinnig ernst zu nehmen, ein Stück zurückzukehren vom Hype, von der Hysterie zu etwas mehr Normalität und Gelassenheit. Denn schon Neururer wusste: „Spieler sind kein Material, sondern Menschen.“

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