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Fußballinternat: Eine wie Podolski

Auch Mädchen trainieren in Fußballinternaten – so wie Sandra Starke, die aus Namibia kam, umd eine gute Fußballerin zu werden. Ihr Vorbild war Lukas Podolski.

Zwölf Jahre alt war Sandra Starke, als sie sich im März 2006 mit ihrer Mutter in Windhoek, der Hauptstadt von Namibia, ins Flugzeug setzte und zum Probetraining um die halbe Welt flog – nach Potsdam. Eine gute Fußballerin wollte sie werden, und Mädchenfußball und Namibia, nein, das ging nicht zusammen. Für die Frauen-Nationalmannschaft von Namibia, die Nummer 102 der Weltrangliste, ging und geht es nur darum, Pleiten gegen Angola und Zimbabwe zu verhindern. „Deutschland war ein Traum“, sagt Sandra Starke drei Jahre später. Sie klingt nicht euphorisch, sondern erzählt sachlich, so wie jemand, der klare Zukunftsvorstellungen hat.

Sandras drei Jahre älterer Bruder Manfred lebte 2006 bereits im Internat von Hansa Rostock, ihm wollte sie es gleichtun. Birgit Prinz, der Star der deutschen Frauen-Nationalmannschaft, war ihr ziemlich egal, aber Lukas Podolski, der Mädchenschwarm, war ihr Vorbild. Den Stürmer sah Sandra, die in Windhoek mit Jungs kickte, in Namibia im deutschen Fernsehen auch viel häufiger als die Weltmeisterinnen. Ein Berliner Bekannter hatte ihr Turbine Potsdam und das Sportinternat empfohlen. Dort könne sie ihren Traum verwirklichen. Zwei Wochen dauerte die Sichtung; die Mutter war längst abgereist, als Sandra sich in Potsdam immer noch durch die Trainingseinheiten biss, den Ball jonglierte, schoss und rannte. Dann hatte sie es geschafft, die „Sportschule Friedrich-Ludwig Jahn“ war überzeugt von der jungen Stürmerin, die ganz allein die Heimreise nach Namibia antrat.

Einige Monate später zog sie komplett nach Potsdam um. „Der Abschied war schwer“, gibt sie zu, doch ihre Zielstrebigkeit half ihr: „Ich wusste, das wollte ich. Ich habe ein Ziel.“ Gegen das Heimweh telefoniert sie täglich via Internet mit ihrer Mutter – doch viel Zeit für trübe Gedanken hat sie ohnehin nicht. Ihr Tag ist vollgepackt mit Schule und Training, und abends muss sie sich den Hausaufgaben widmen. Der sportliche Erfolg lässt sie durchhalten. Mit den B-Juniorinnen von Turbine Potsdam hat Starke 2008 den deutschen Meistertitel gefeiert, für das Turnier der deutschen U-16-Nationalmannschaft in Italien im April stand sie auf Abruf bereit. Turbines Cheftrainer Bernd Schröder hält viel von Sandra Starke, deren Vater in Namibia den Männer-Erstligisten SK Windhoek coacht. „Sie ist eine starke Kämpferin und hat Charakter. Sie wird ihren Weg gehen.“ In der nächsten Saison, glaubt Schröder, könnte die dann 16-Jährige in den erweiterten Bundesliga-Kader aufrücken.

So wie im vergangenen Sommer Tabea Kemme, die sofort einen Stammplatz im Erstligateam erobert hatte. Mit ihr teilt sich Sandra Starke im Internat, das auch Kanuten, Ruderer und Leichtathleten besuchen, ein Zimmer. Die beiden sind zwei von rund 70 kickenden Siebt- bis Zwölftklässlerinnen aus ganz Deutschland – oder eben Namibia – , die auf dem Trainingsgelände lernen, schon vormittags trainieren und von einer großen Zukunft als Fußballerinnen träumen. Es gibt bundesweit mehrere Fußballinternate für Mädchen, doch jenes in Potsdam ist das erste, das der Deutsche Fußball-Bund (DFB) als Eliteschule des Fußballs ausgezeichnet hat.

Die Weltmeisterinnen Viola Odebrecht und Babett Peter sind hier ebenso gefördert worden wie Jennifer Zietz und Bianca Schmidt, die wie Peter für das Länderspiel gegen Brasilien vor zehn Tagen nominiert waren. So weit ist Sandra Starke noch nicht, doch sie gehört wie die 17-jährige Tabea Kemme zu Turbines „Team 2011“. Hier werden Spielerinnen, denen die Trainer den Sprung in Bundesliga und Nationalmannschaft zutrauen, besonders unterstützt, etwa durch die Übernahme der Kosten für Internat und Trainingskleidung. 2011 findet die Frauen-WM in Deutschland statt, die eine oder andere Spielerin könnte, wenn es optimal läuft, dann dabei sein.

Für Sandra Starke wird die WM 2011 wohl zu früh kommen, doch ein Nationaltrikot hat sie durchaus schon getragen: allerdings das von Namibia. Nicht der Fußball-, sondern der Faustballverband meldete sich im vergangenen Sommer bei dem Mädchen, das beide Staatsangehörigkeiten hat. Ob Sandra nicht bei der U-18-Weltmeisterschaft dabei sein wolle, so wie ihr Bruder? Sie wollte, trainierte in den Ferien in Namibia Faustball und lief dort im Januar bei der WM auf. Doch bei ihrer nächsten WM will sie nicht mehr die Fäuste benutzen. Sondern die Füße.

Helen Ruwald[Potsdam]

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