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Die Tour spricht Englisch. Der Brite Bradley Wiggins, hier im Gelben Trikot beim Criterium du Dauphine, ist überraschend zum Titelanwärter bei der Frankreich-Rundfahrt geworden. Sein härtester Konkurrent dürfte der Australier Cadel Evans (ganz links) sein. Foto: AFP

© AFP

Sport: Gebremstes Spektakel

Ohne die beiden Favoriten beginnt am Sonnabend die Tour de France – und ohne ARD und ZDF.

Berlin - Die Tour de France ist immer noch das allsommerlich wiederkehrende Highlight des Radsports, daran haben die vielen Skandale wenig geändert. Doch wenn am Samstag in Lüttich der Startschuss zur 99. Frankreich-Rundfahrt ertönt, wird davon im öffentlich-rechtlichen Fernsehen in Deutschland wenig zu sehen sein: ARD und ZDF planen lediglich mit 90-Sekunden-Nachrichten von der Tour, Live-Bilder wird es keine geben. Weil drei Tage vor dem Tourstart eine Dopingermittlung der französischen Staatsanwaltschaft gegen das Team Europcar um Frankreichs Publikumsliebling Thomas Voeckler eröffnet wurde, mutet der Verzicht auf die Übertragungsrechte fast schon weise an.

Die derzeit – mit oder ohne unerlaubte Unterstützung – mit Abstand besten Rundfahrer fehlen ohnehin in diesem Jahr. Der Spanier Alberto Contador ist noch bis zum 5. August gesperrt. Andy Schleck, der 2010 Zweiter wurde und später den Tour-Sieg vom nachträglich disqualifizierten Contador erbte, fällt nach einem Sturz wegen einer Schulterverletzung aus. Dafür kehrt der Spanier Alejandro Valverde mit Ambitionen aufs Podium ins Fahrerfeld zurück, seine zweijährige Dopingsperre ist abgelaufen.

Turbulenzen gab es rund um den Rennstall Radioshack-Nissan der deutschen Radprofis Andreas Klöden und Jens Voigt. Rennstall-Manager Johan Bruyneel kommt wegen seiner Dopingverhandlung vor der amerikanischen Anti-Doping-Agentur Usada gar nicht erst nach Frankreich. Der 47-jährige Belgier, der Lance Armstrong und Alberto Contador zu insgesamt neun Toursiegen geführte hatte, wurde jetzt in den Ermittlungen gegen Armstrong schwer belasten. Die Usada droht Bruyneel mit lebenslanger Sperre, der Weltverband UCI forderte ihn zu einer Stellungnahme auf. Auch sonst steckt das Team in Turbulenzen: Wegen Unregelmäßigkeiten bei ihren Gehaltszahlungen haben sich mehrere Radioshack-Profis beim UCI über ihren Arbeitgeber beschwert. Bereits während der Tour de Suisse hatte die Schweizer Zeitung „Blick“ berichtet, dass einige Fahrer von Radioshack ihr Mai-Gehalt verspätet erhalten hatten. Die UCI kann wegen zu spät gezahlter Gehälter Geldstrafen verhängen. „Das ist alles Stress, auf den wir gut verzichten können“, stöhnte Jens Voigt. Für den Berliner steht immerhin fest, dass er mit 15 Tourteilnahmen deutscher Rekordhalter der Frankreich-Rundfahrt wird.

Bei den insgesamt 3479 Kilometern durch Belgien, Frankreich und die Schweiz läuft alles auf ein Duell des Titelverteidigers Cadel Evans mit dem britischen Zeitfahrspezialist Bradley Wiggins hinaus. Wiggins ist der Favorit. Der dürre Brite beeindruckte in dieser Saison mit drei Rundfahrtsiegen bei insgesamt nur fünf Starts. Er ist der bei weitem stärkste Zeitfahrer unter den Rundfahrern. Bei insgesamt 101,4 Kilometern Einzelzeitfahren ist dies ein enormer Vorteil. Für Titelverteidiger Evans ist die Situation mit Wiggins neu. Konnte sich der Australier bisher darauf verlassen, dass er gegenüber den Mitfavoriten im Gesamtklassement über größere Qualitäten im Zeitfahren verfügte, muss er nun Druck auf Wiggins in den Bergen ausüben. Die Gelegenheiten dafür sind begrenzt: Nur jeweils eine echte Bergankunft in den Alpen und den Pyrenäen sowie die Etappe über vier Berge, darunter der Tourmalet, stehen an.

Wer die Rundfahrt im Fernsehen verfolgen will, hat trotz des Boykotts von ARD und ZDF die Möglichkeit dazu bei Eurosport: Der Sender bleibt der Tour trotz aller Skandale treu und zeigt mehr als 80 Stunden live.

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