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Unkontrollierte Offensive. Petric (o.) stürmt ohne Rücksicht auf die Mitspieler. Foto: dapd

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Sport: Gefährliche Bequemlichkeit

Der Hamburger SV lässt sich gehen, weil er sich in Sicherheit wähnt.

Beim Hamburger SV hatten sie sich nach dem 1:1 vor einer Woche in Mönchengladbach auf eine sorgenfreie Restrückrunde mit ein paar Spielen als Rahmenhandlung zur Umbesetzung des Kaders in der nächsten Serie eingestellt. Adler für Drobny, keine neuen Verträge für Petric und Jarolim, ein Fragezeichen hinter Jansens Verbleib, weiter in dem Versuch, um die Chefs Westermann, Aogo, Guerrero herum mit ein paar jungen Profis wie Diekmeier, Töre, Sala, Son und Arslan ein Team zu bauen, das in der nächsten Spielzeit um die Europa-League-Ränge mitspielt. In diesem Plan sind sich Sportchef Frank Arnesen, Trainer Thorsten Fink und Vorstand Carl-Edgar Jarchow einig. Wenn die Gegenwart aber so ernüchternd ist wie beim 0:4 am Samstag gegen den VfB Stuttgart, der sechsten Heimniederlage der Saison, helfen schöne Pläne nicht weiter. Erbost wie nie schimpfte der Däne Arnesen: „Mit 75 Prozent Einsatz gewinnst du gar nichts.“

Wieder einmal ist der HSV von einem seit einer gefühlten Ewigkeit vorherrschenden Problem eingeholt worden: So bald es etwas besser läuft, ergreift viele Spieler die große Bequemlichkeit. Was die erfahrenen Profis Mladen Petric und Marcell Jansen am Samstag spielten, hatte mit modernem Fußball nichts zu tun. Sie verstanden ihre Rollen so eindimensional-offensiv, dass sie ihre defensiven Mitspieler erheblich in Bedrängnis brachten. Das, was Fink will – aggressiv gegen den Ball spielen, doppeln, nach dem Ballgewinn schnell nach vorn kommen –, das geht mit Petric und Jansen nicht. Trotzdem kann sich Petric seines Stammplatzes bis zum Saisonende sicher sein, denn Sturmpartner Paolo Guerrero sah nach einem bösen Tritt in Sven Ulreichs Kniekehle die Rote Karte und wird sicher lange gesperrt.

Für den Stuttgarter Torhüter Ulreich war diese Szene in der 54. Minute das Aufregendste eines entspannten Nachmittags. Ulreich spielte weiter, er hätte aber auch hinter dem Tor spazieren gehen können, denn der HSV blieb ohne Torchance. So reich beschenkt wie an diesem 24. Spieltag wird man selten, müssen einige Stuttgarter Profis gedacht haben. Die hilflosen Abwehrversuche Slobodan Rajkovics in der eigenen Gefahrenzone nutzte Zdravko Kuzmanovic mit seinen Elfmetertoren zum 2:0 und 3:0 für die Gäste. Das 1:0 hatte Vedad Ibisevic in der 23. Minute, ungehindert von Rajkovic, geschossen. Und Martin Harnik gelang in der 90. Minute sein 14. Saisontreffer zum 4:0.

Für Trainer Fink gab es in der 41. Minute, als er Arslan zum Warmlaufen schickte, eine Fülle von Möglichkeiten, beim Stande von 2:0 für den VfB ins Spiel einzugreifen. Rajkovic, Ilicevic, Petric, Jansen: Er hätte sie alle austauschen können, und niemand hätte gepfiffen. Ein Wechsel hat ja oft auch eine pädagogische und symbolische Komponente. Doch für Erziehungslehre mit dem Holzhammer hat der Trainer wenig übrig: Er nahm Tomas Rincon aus dem Spiel. Er wollte niemanden mit einem frühen Tausch bestrafen. Er wollte das Spiel seiner desolaten Mannschaft durch Arslan einfach nur offensiver machen und verzichtete in Rincon auf einen zweiten ultradefensiven Mittelfeldakteur neben David Jarolim.

Die streng fachliche Sichtweise auf das schlechteste Bundesligaspiel unter Fink setzte sich fort, als er später die Leistung seiner Mannschaft gegen keineswegs überragende Stuttgarter ins große Ganze einbettete und auf markige Sprüche verzichtete: „Bei einer Mannschaft, die lange gegen den Abstieg gespielt hat, muss man immer mit Rückschlägen rechnen“, sagte Fink. Schon beim 1:5 gegen Dortmund zu Beginn der Rückrunde und beim 1:3 gegen Werder vor zwei Wochen hatte Thorsten Fink keine harsche Kritik geübt, sondern lieber daran erinnert, dass die Hamburger im Oktober noch Letzter waren. Am Samstag sagte Hamburgs Coach nun: „Manchmal dauert eine Entwicklung hin zu mehr Stabilität ein Jahr.“

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