zum Hauptinhalt

Sport: Geflucht wird nur im Flur

DSB bestätigt von Richthofen und sorgt sich um die Zukunft

Bonn. Erika Dienstl wusste schon am Vorabend, wie die Sache läuft. „Hier traut sich keiner aufzumucken", sagte die scheidende Vizepräsidentin des Deutschen Sportbundes (DSB) und genehmigte sich und ihrer Umgebung ein süffisantes Lächeln. „Keiner.“ Dienstl, die 20 Jahre lang alle Ebenen der Sportpolitik durchschritten hat und zum Abschied noch einmal die DSB-Vollversammlung in Bonn leitete, kann sich solch offene Worte leisten. Und sie lag mit ihrer Einschätzung richtig: Der Deutsche Sportbund, der sich im ehemaligen Bundestag unter dem silbernen Adler der Bonner Republik versammelt hatte, präsentierte sich am Sonntag als große Koalition der Eintracht.

Die Leistungen der Sportvereine wurden laut beklatscht, Programme und Finanzpläne einmütig beschlossen. Und Manfred von Richthofen, der Präsident, der auf dem alten Stuhl des Bundeskanzlers Platz genommen hatte, wurde erneut für vier Jahre gewählt und mit Ovationen gefeiert. Es gab keinen Gegenkandidaten, und als nach Gegenstimmen gefragt wurde, hoben vier Leute aus dem Tennisbund ihre Stimmkarten. Für den 68-jährigen Berliner von Richthofen, der 1994 die Nachfolge von Hans Hansen an der Spitze der mit 26,8 Millionen Mitgliedern größten gemeinnützigen Organisation in Deutschland angetreten hatte, soll es die letzte Amtszeit sein.

Doch der Sport hat Probleme, echte Probleme. Das wurde zwar nicht in den Reden deutlich, aber auf den Fluren. In einigen Sitzungen im Vorfeld, etwa bei der Tagung der Führungsakademie des Sportbundes, war die Stimmung gereizt. „Unsere Laune ist so schlecht wie die Laune im Land“, sagte der Chef eines Fachverbandes lakonisch. Angesichts der Finanznot in den öffentlichen Kassen fürchten immer mehr Sportfunktionäre um die Förderung der 88 000 Vereine. Bisherige Selbstverständlichkeiten, etwa die kostenlose Bereitstellung von Sporthallen und Fußballplätzen durch die Kommunen oder die Bezuschussung des Sports mit Lottomitteln, stehen in immer mehr Bundesländern zur Disposition. In den Landessportbünden wird befürchtet, dass durch die Einsparungen die Mitgliedsbeiträge in den Sportvereinen ansteigen müssen. „Jahresbeiträge von 70 Euro werden nicht mehr zu halten sein“, sagt ein Funktionär, der lieber nicht genannt werden möchte. „In den nächsten Jahren wird es eine Verdopplung oder Verdreifachung geben, mindestens.“

Manfred von Richthofen merkt, dass ihm diese Stimmung in den nächsten Jahren gefährlich werden könnte. „Ein Blick auf die Kassenlage macht deutlich, dass hier Gefahr im Verzug ist“, rief der Präsident den Delegierten mit ungewöhnlich lauter Stimme zu.

Der Mann, der von allen deutschen Sportfunktionären über die besten Beziehungen zur Berliner Spitzenpolitik verfügt, verschärft jetzt den Ton. „Die Devise muss lauten: Nicht am Sport sparen, sondern mit dem Sport.“ Applaus. Und dann zählt von Richthofen noch einmal auf, auf welchen gesellschaftlichen Feldern er den Sport in Stellung bringen möchte: Gesundheitsvorsorge, Jugendarbeit, Schulunterricht, Seniorenbetreuung. Bis zu 30 Prozent könnten die Krankenkassen einsparen, wenn sie stärker auf die Sportvereine setzen würden, meint von Richthofen. Die Summen, die die Gesellschaft durch das ehrenamtliche Engagement von Trainern und Betreuern einspare, seien „gar nicht zu berechnen“. An dieser Stelle klatschten auch die anwesenden Politiker von Kanzleramt, Innenministerium und Parlament demonstrativ Beifall.

Bei den Forderungen von Richthofens sind viele Spitzenpolitiker allerdings skeptisch. Einen Steuererlass für sportliche Großveranstaltungen können sich viele noch vorstellen. „Ich werde mich auf Bundesebene dafür einsetzen“, versprach etwa Nordrhein-Westfalens neuer Ministerpräsident Peer Steinbrück (SPD). Auch eine Berücksichtigung des Sports in der europäischen Verfassung ist in Regierungskreisen im Gespräch, wie Ute Vogt (SPD), Staatssekretärin im Innenministerium, ankündigte.

Gegen die Einrichtung eines Sportkanals im öffentlich-rechtlichen Fernsehen aber regt sich heftiger politischer Widerstand, zumal damit eine Erhöhung der Rundfunkgebühren verbunden wäre. Auch das von Manfred von Richthofen geforderte Ehrenamtsgesetz, mit dem gemeinnützige Arbeit in Vereinen stärker gewürdigt und steuerlich begünstigt werden soll, löst eher Abwehrreaktionen aus. „Bürokratie abbauen mit einem Gesetz, das ist doch Quatsch“, schimpfte ein Parlamentarier vor dem Sitzungssaal.

Es wird nicht leicht für den Deutschen Sportbund in den kommenden Jahren. „Die Aussichten sind nicht rosig“, sagt Manfred von Richthofen nach seiner Wahl in Bonn. In der Hand hielt er einen schweren Aktenordner. „Das wird viel Arbeit.“

Zur Startseite