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Sport: „Gefürchtet wegen ihrer Härte“

Vier deutsche Nationalspieler erinnern sich an ihre Duelle mit den Argentiniern. Für Uwe Seeler war es 1958 ein ganz außergewöhnliches Spiel. Wolfgang Weber bekam 1966 den Siegeswillen der Südamerikaner zu spüren, als er hart gefoult wurde. Auch Klaus Allofs ist im Rückblick auf das Finale der WM 1986 nicht gerade erfreut. Und Guido Buchwald war 1990 im Endspiel schon nach zehn Minuten klar, dass Deutschland Weltmeister wird.

8. Juni 1958, WM in Schweden, Malmö, Finalrunde:

Deutschland – Argentinien 3:1

Uwe Seeler: „Für mich war das ein ganz außergewöhnliches Spiel, nicht nur weil es mein erstes bei einer WM war. Ich war ja nicht unbedingt als erster Mittelstürmer mitgenommen worden nach Schweden und zusammen mit Karl-Heinz Schnellinger einer der Jüngsten. Aber wir waren in unserer Nationalmannschaft gut eingebettet, weil wir solch erfahrene Leute wie Helmut Rahn, Fritz Walter und Hans Schäfer um uns herum hatten. Und die Argentinier, unser erster Gegner bei dieser WM? Die hatten damals eine sehr unangenehme Mannschaft, gefürchtet wegen ihrer Härte. Da standen in der Abwehr Leute drin, die waren durchweg zwei Köpfe größer als ich, so richtig bullige Typen. Das ist kein Vergleich mehr zu den heutigen argentinischen Spielern. Und sie sind sehr robust zur Sache gegangen. Hinten stand so ein Bulle drin, den Namen weiß ich nicht mehr, der hat unheimlich abgeräumt. Da musste man als Stürmer, wenn man ein Tor erzielen wollte, wirklich dahin gehen, wo es auch mal weh tut. Klar, die Argentinier haben auch nach vorne gespielt, aber mir als ganz jungem Spieler, der noch dazu im Angriff stand, hat damals natürlich am meisten die Kompromisslosigkeit der Abwehr imponiert. Da musste man erst einmal gegenhalten. Damals, so erinnere ich mich, hat Argentinien von allen Mannschaften eigentlich am europäischsten gespielt.“

16. Juli 1966, WM in England, Birmingham, Finalrunde:

Deutschland – Argentinien 0:0

Wolfgang Weber: „Von der WM 1966 sind mir vor allem zwei Szenen aus dem Endspiel gegen England in der Erinnerung geblieben: zum einen mein später Ausgleich zum 2:2, zum anderen die Situation, in der ich einen Ball zur Ecke köpfe, die es dann leider nicht gegeben hat. Vor einiger Zeit aber habe ich mich plötzlich in einem offiziellen Fifa-Film gesehen: wie ich nach einem brutalen Foul am Boden lag. Die Szene stammt aus dem Gruppenspiel gegen Argentinien.

Die Ausgangsposition vor der Begegnung war relativ klar. Beide Mannschaften hatten ihr erstes Spiel gewonnen und brauchten einen Sieg, um Gruppenerster zu werden und damit England im Viertelfinale aus dem Weg zu gehen. Wer will schon in England gegen England spielen? Bei solchen Spielen wird gerne der Erdteilkampf zwischen Europa und Südamerika, zwischen verschiedenen Fußballphilosophien ausgerufen. Das erklärt vielleicht, warum das Spiel wenige spielerische Höhepunkte hatte, obwohl die Argentinier damals als einer der WM-Favoriten galten. Taktik und Kampf waren Trumpf. Und Härte.

Ich erinnere mich noch dunkel, dass ich in der zweiten Hälfte mit dem Ball nach vorne laufen wollte und auf einmal zwei Beine auf mich zufliegen sah. Das war so, als ob man mit dem Auto gegen eine Mauer fährt. Da war einfach Schluss. Weiterlaufen konnte ich nicht. Als Spieler selbst empfindet man das ja als nicht so schlimm, aber als ich später die Bilder gesehen habe, habe ich mich gefragt: Was hat den jungen Mann, den Argentinier Rafael Albrecht, damals geritten? Ich hatte sämtliche zwölf Stollen auf meinen Oberschenkeln abgebildet. Albrecht wurde vom Platz gestellt, ich konnte nach einer längeren Behandlung weiterspielen. Trotzdem wehre ich mich dagegen, dass die Südamerikaner immer die bösen Buben sind und die Europäer die Lieben. Wir haben uns auch nicht alles gefallen lassen.

Obwohl wir fast eine halbe Stunde mit einem Spieler mehr auf dem Platz standen, haben wir kein Tor mehr geschossen. Ich glaube auch nicht, dass wir nach dem Platzverweis mit Mann und Maus gestürmt haben. Das 0:0 hat uns geholfen, weil wir das bessere Torverhältnis hatten und am Ende Gruppensieger wurden. Die Argentinier wurden Zweiter, mussten im Viertelfinale gegen England spielen – und sind ausgeschieden.“

29. Juni 1986, WM in Mexiko,

Mexiko-Stadt, Finale:

Deutschland – Argentinien 2:3

Klaus Allofs: „Das Finale der WM 1986 ist für mich in doppelter Hinsicht nicht besonders erfreulich verlaufen: Wir haben verloren, und ich wurde in der Pause ausgewechselt. Bis dahin war ich mit Toni Schumacher der einzige Spieler unserer Mannschaft gewesen, der bei allen Spielen von der ersten bis zur letzten Minute auf dem Feld gestanden hatte. Im Endspiel bin ich einfach an meine körperlichen Grenzen gestoßen. Es war nur eine logische Geschichte, dass ich ausgewechselt wurde: Wir lagen 0:1 zurück, und auf der Bank saßen noch zwei Stürmer, Rudi Völler und Karl-Heinz Rummenigge.

Die WM 1986 war das erste Turnier für Franz Beckenbauer als Teamchef. Später soll er seinen Spielern ja nur noch gesagt haben: Gehts raus und spuits Fußball! In Mexiko waren seine Mannschaftsbesprechungen sehr lang und akribisch. Beckenbauer hat nichts dem Zufall überlassen. Dass wir überhaupt so weit gekommen waren, galt schon als Überraschung, und im Finale gegen die Argentinier mit dem überragenden Maradona waren wir erst recht klarer Außenseiter. Die WM 86 war die WM Maradonas, er befand sich auf der Höhe seiner Schaffenskraft. Trotzdem hat Beckenbauer vor dem Endspiel gesagt: ,Jetzt gewinnen wir das auch noch.‘

Wir waren nah dran, obwohl Argentinien in der zweiten Halbzeit 2:0 in Führung ging. Von außen kann man sich das vielleicht nicht vorstellen: 0:2 zurück, bei 35, 40 Grad im Schatten und noch mehr auf dem Feld – wir haben die Situation trotzdem nicht als aussichtslos empfunden. Die Mannschaft hatte damals einen sehr guten Zusammenhalt und eine sehr gute Moral. Rummenigge erzielte den Anschlusstreffer, Völler zehn Minuten vor dem Ende den Ausgleich.

Man hat uns später vorgeworfen, dass wir nach dem 2:2 zu viel gewollt hätten. Wer gewinnt, hat Recht. Wenn wir in der Verlängerung verloren hätten, hätten wahrscheinlich alle gesagt: Warum habt ihr die Entscheidung nicht in der regulären Spielzeit gesucht? Die Argentinier waren zu diesem Zeitpunkt geschockt. Eine einzige Unachtsamkeit hat dann zum 2:3 geführt, weil wir auf Abseits gespielt haben, was so nicht eingeplant war.“

8. Juli 1990, WM in Italien, Rom,

Finale:

Deutschland – Argentinien 1:0

Guido Buchwald: „Das WM-Finale von 1990 besitzt nicht unbedingt den besten Ruf. Für mich ist es schade, dass wir damals nur 1:0 gewonnen haben, und das auch noch durch einen Elfmeter. Dabei hätten wir auch so gewonnen, spätestens in der Verlängerung. Wir haben vom Anpfiff an so dominant gespielt, dass schon nach zehn, fünfzehn Minuten klar war, dass wir Weltmeister werden würden. Mit unserer Qualität konnten die Argentinier bei dieser WM nicht mithalten. Nur mit viel Glück hatten sie es überhaupt ins Endspiel geschafft. Ihre Mannschaft war deutlich schwächer besetzt als unsere, sie hatten eigentlich nur einen Superstar: Diego Maradona. Franz Beckenbauer hatte mir schon relativ früh nach dem Halbfinale gesagt, dass ich gegen ihn spielen würde, zum ersten Mal in meiner Karriere als sein direkter Gegenspieler. Als Belastung habe ich das nicht empfunden, eher als positiven Druck, der zusätzliche Energie freisetzt, und auch als Ausdruck für das riesige Vertrauen, das Franz Beckenbauer in mich gesetzt hat. Nach dem Spiel musste ich zusammen mit Maradona zur Dopingprobe. Er hatte Tränen in den Augen, aber er ist mir als fairer Verlierer in Erinnerung geblieben.

Natürlich habe ich noch einige Szenen aus dem Finale vor Augen: die Zweikämpfe, die ich gegen Maradona gewonnen habe, den nicht gegebenen Elfmeter nach dem Foul an Klaus Augenthaler, die beiden Roten Karten gegen die Argentinier, aber auch einen Freistoß, den Maradona herausgeholt hat und den er dann – glaube ich – übers Tor geschossen hat. Ich weiß auch noch, dass ich zwischendurch ein komisches Gefühl hatte, weil wir unsere Chancen nicht genutzt haben. Uns war klar: Wir dürfen ja kein Tor bekommen, sonst stellen die sich mit zehn Mann hinten rein, und dann wird es noch schwerer.

Als es den Elfmeter gab, wusste ich, dass Andreas Brehme den verwandeln würde. Ich bin noch zu ihm hingegangen und habe gesagt: Schieß in die linke Ecke! Der argentinische Torwart Goycochea hatte beim Elfmeterschießen im Halbfinale alle Elfmeter in die rechte Ecke gehalten. Andy hat dann tatsächlich nach links geschossen, aber der Torhüter ist wieder in die richtige Ecke geflogen und hätte den Ball beinahe noch erwischt. ,Du bist ja ein Schöner‘, hat Andy nach dem Spiel zu mir gesagt.“

Aufgezeichnet von Stefan Hermanns und Karsten Doneck

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