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Immer positiv bleiben. Trainer Felix Magath (rechts) verbreitet vor der Relegation Optimismus.

© IMAGO/osnapix

Gegen die Untergangsstimmung bei Hertha BSC: Trainer Felix Magath verbreitet Zuversicht

Der Frust über die vergebenen Matchbälle sitzt bei Hertha BSC tief. Trotzdem ist Trainer Magath von einem Erfolg in der Relegation gegen den HSV überzeugt.

Der Countdown lief, und bedeutungsschwangere Bässe wummerten über den Trainingsplatz von Hertha BSC, als Felix Magath mit seiner Nachbesprechung begann. Es war kurz vor zehn am Sonntagmorgen. Der Sound kam vom nahen Olympischen Platz, wo um Punkt zehn der S 25 Berlin, Deutschlands ältester City-Lauf, gestartet wurde.

Die akustische Untermalung passte aber auch perfekt zur dramatischen Situation von Hertha BSC, Berlins ältestem Fußball-Bundesligisten. Die Uhr tickt, der Countdown läuft.

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Cheftrainer Magath hatte die Mannschaft um sich versammelt, so wie er das immer tut am Tag nach einem Spiel. Nur dass er diesmal nicht wie sonst seinen schwarzen Trainingsanzug trug, sondern in Zivil erschienen war, mit grauer Chino-Hose und weißem Polohemd. Doch der Freizeitlook täuschte. An Arbeit wird es Felix Magath in den nächsten Tagen nicht mangeln, nachdem seine Mannschaft tags zuvor durch die 1:2-Niederlage bei Borussia Dortmund das Verlängerungswochenende in der Fußball-Bundesliga gebucht hatte.

Statt Urlaub gibt es für Hertha noch einmal zwei Spiele gegen Hamburger SV, den Dritten der Zweiten Liga. Und so standen die Spieler am Sonntagmorgen schon wieder auf dem Trainingsplatz. Sieben Minuten sprach Magath zu Beginn der Einheit zum Kollegium. Um die Bedeutung seiner Worte zu unterstreichen, bediente er sich einer geradezu expressionistischen Gestik. Magaths Arme wirbelten durch die Luft, nach oben, nach unten, nach vorne und zur Seite. Als alles gesagt war, klatschte er einmal in die Hände und ging auf Abstand.

Hertha droht der Ausfall von Torwart Lotka

Magath verschwand dann auch alsbald, um nach Darmstadt aufzubrechen, wo am Nachmittag einer der potenziellen Relegationsgegner spielen würde. Sein Co-Trainer Mark Fotheringham wiederum reiste nach Rostock zur Partie des Hamburger SV. Hertha wollte auf alle Eventualitäten vorbereitet sein. Aber Magath hatte ohnehin nicht erst in den vergangenen Wochen und angesichts der drohenden Relegation ein Auge auf die Zweite Liga geworfen. Auch schon zuvor habe er sich viele Spiele angeschaut, berichtete er. Am Samstagmittag um halb zwei habe er selten andere Termine. „Ich fühle mich, was die Zweite Liga angeht, ganz sattelfest.“

Ob das auch für seine Mannschaft gilt, da sind sich viele Fans von Hertha BSC nicht ganz so sicher. Die Niederlage in Dortmund, vor allem aber die Dramaturgie in den Schlussminuten der Spielzeit 2021/22, dürfte sie in ihrer Ansicht bestätigt haben, dass man bei Hertha BSC immer mit dem Schlimmsten rechnen muss.

„Das war wie ein Drehbuch der gesamten Saison“, sagte Herthas Sportgeschäftsführer Fredi Bobic über die Zuspitzung der Dinge kurz vor Schluss: Erst erzielte Borussia Dortmund das 2:1, dann – in der Nachspielzeit – traf im Parallelspiel auch der VfB Stuttgart zum Sieg gegen den 1. FC Köln und sprang dadurch in der Tabelle an den Berlinern vorbei auf Rang 15.

Magath geht mit dem Team ins Traininglager

Dass dieses Drehbuch tatsächlich noch ein Happy End für Hertha vorsieht, käme für so manchen Pessimisten wohl wirklich sehr überraschend. Um kurz nach fünf am Samstag schienen die Berliner gerettet, aber dann ließen sie auch den dritten Matchball ungenutzt. Ähnlich wie zwei Wochen zuvor in Bielefeld. Oder wie am vergangenen Wochenende zu Hause gegen Mainz. Mit dieser psychologischen Last geht die Mannschaft nun in die Relegation.

Der Frust im Team jedenfalls war groß, „der eine oder andere hat auch den Kopf hängen lassen“, berichtete Magath über die Stimmung in der Kabine. Auch deshalb richtete der erfahrene Trainer noch an Ort und Stelle ein paar aufmunternde Worte an seine Spieler: „Weil ich das anders beurteile.“ Seine Botschaft sei Zuversicht. „Ich freue mich darauf“, sagte Magath über die anstehende Relegation. „Zwei schöne Spiele, volle Hütte, Druck, Stress. Wunderbar.“

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Bevor es am Donnerstag (20.30 Uhr) mit dem Heimspiel gegen den HSV so weit ist, zieht sich die Mannschaft zur Kontemplation noch einmal in die Abgeschiedenheit des brandenburgischen Umlands zurück. Von Dienstag an logiert Hertha im Olympischen Trainingszentrum Kienbaum, wird dort unter Ausschluss der Öffentlichkeit trainieren.

Ob Torhüter Marcel Lotka dabei mitwirken kann, ist noch fraglich. Herthas neue Nummer eins hat sich bei seiner Rettungstat in Dortmund, bei der er mit dem Gesicht gegen den Pfosten geknallt war, eine leichte Gehirnerschütterung und einen Nasenbeinbruch zugezogen. Lotkas Einsatz am Donnerstag ist gefährdet. Santiago Ascacibar hingegen wird sicher ausfallen. Er sah in Dortmund seine fünfte Gelbe Karte und ist gesperrt.

Aber selbst solche Widrigkeiten dürften Trainer Magath in seinem offensiv zur Schau getragenen Optimismus nicht beirren. Im Gegensatz zur allgemeinen Untergangsstimmung bedachte er den Auftritt seiner Mannschaft in Dortmund mit lobendsten Worten. Dass Herthas Spieler noch gutem Beginn immer passiver wurden und dem BVB nur noch wenig entgegensetzen konnten; dass die Wende dadurch fast zwangsläufig war: All das wollte Magath nicht verurteilen. Seine Mannschaft habe sehr gut gespielt, sehr gut gekämpft und sich als würdiger Bundesligist erwiesen, sagte er. „Ich bin durch dieses Spiel eher beruhigt. Mir ist nicht bange, was die Relegation angeht.“

So penetrant, wie Herthas Trainer in den Wochen, als die direkte Rettung unausweichlich schien, die Relegation herbeigeredet hat, so penetrant betonte er am Samstag, dass alles gut ausgehen werde. „Mein Bauch, mein Gefühl sagt mir: Wir schaffen das.“

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