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Sport: Geheime Botschaften (Glosse)

Der Kollege hinter mir bricht wortlos über seiner Tastatur zusammen, mein Nebenmann bekommt dieses leichte Mundwinkelzucken, das höchste Anspannung verrät. Jetzt sind starke Nerven gefragt.

Der Kollege hinter mir bricht wortlos über seiner Tastatur zusammen, mein Nebenmann bekommt dieses leichte Mundwinkelzucken, das höchste Anspannung verrät. Jetzt sind starke Nerven gefragt. Denn Herr Becker, der soeben den Presseraum betritt, hat ein Geheimnis für uns. Wir spüren es, und letzte Zweifel zerstreut sein konspirativer Blick. "Die Marlene Weingärtner", sagt er so leise, kaum die Lippen bewegend, dass nur wir ihn verstehen können, "konzentriert sich jetzt ganz auf ihre Tennis-Karriere."

Ja, aber warum nur, warum, fragen wir uns. Auch das weiß der Herr Becker. Vorsichtig blickt er sich um, dann presst er es heraus: "Sie hat letztes Jahr ihr Abitur gemacht." Sofort eilt er weiter und lässt uns vollkommen ratlos zurück: Was fangen wir jetzt bloß damit an? Wer kann heute schon sagen, wie die Zeitungen des nächsten Tages ausgesehen hätten, wenn nicht zehn Minuten später die erlösende Durchsage gekommen wäre, dass Marlene Weingärtner wegen einer schweren Erkältung nicht in Berlin antreten könne. Puh!!

Heinz Becker, eigentlich ein Oberschiedsrichter (sogar mit Wimbledon-Lizenz), ist ein Original der German Open. Seit 1981 ist der 70-Jährige dabei und betreut die Journalisten mit den kleinen Geheimnissen am Rande des Centrecourts. Irgendwann hat ihn mal ein Reporter gefragt: "Mensch, Heinz, haste nich mal irgendeinen Splitter für mich?" Seitdem ist Herr Becker ständig auf der Jagd. Seine Frau Christa stellt jeden Morgen den Pressespiegel über die German Open zusammen. Besonders freut sie sich darüber, wenn sie dabei einen der Splitter entdeckt, die ihr Heinz gestreut hat.

Jeder freundliche Kollege kommt im Laufe der Turnierwoche einmal in den Genuss einer geheimen Botschaft. In dieser Woche haben wir wieder einiges durch ihn erfahren. Oder wussten Sie vielleicht, dass Tobias Heinecke von den Zehlendorfer Wespen mit 21 Jahren Profi-Schiedsrichter geworden ist? Oder dass Anke Huber in Berlin mit dem Weißrussen Sergej Pugatschew trainiert? Wussten Sie noch nicht?

Dietmar Wenck

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