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Sport: Gehemmter Weltmeister

Luizao sucht seinen Platz bei Hertha BSC – und kann ihn einfach nicht finden

Berlin. Luizao fühlt sich nicht wohl. Wie der Brasilianer da zum Vormittagstraining beim Fußball-Bundesligisten Hertha BSC antritt, wirkt er nicht, als freue er sich auf die Einheit. Kein Glanz liegt in seinen Augen. Hier und da springt ihm, dem brillanten Techniker, der Ball vom Fuß.

Der Weltmeister, dessen Verpflichtung vor Saisonbeginn noch als kleine Sensation gefeiert wurde, kommt nicht in Tritt, ist nicht frei im Kopf. Er agiert nicht lustlos, aber vielleicht ein wenig mutlos, als habe er nicht den Ball, sondern seine aktuelle Situation vor Augen. Gerade ein Pflichtspiel hat er von Anfang an bestritten, ansonsten saß er auf der Bank, wurde sporadisch für 20 bis 30 Minuten eingewechselt.

Vor zwei Monaten konnte Luizao die Nichtberücksichtigung vor sich selbst noch mit seiner mangelnden Fitness nach einem langen Urlaub erklären. Doch nun ist er austrainiert und spielt trotzdem nicht. Das ist eine Situation, die der Mann, der bei seinem letzten Verein Corinthians Sao Paulo wie ein Held verehrt wurde, nicht kennt. Sie macht ihn unsicher, sie hemmt ihn.

Und dann reitet er sich auch noch selbst tiefer hinein ins Ungemach, sagt in einem Interview mit der „Welt am Sonntag“ Dinge, die bei einigen Leuten auf Unverständnis stoßen. Luizao ist kein Mensch, der heile Welt spielt und alles wunderbar nennt, wenn es eben nicht wunderbar ist. Er beklagt die Sprachprobleme mit der Mannschaft und sein Heimweh nach Brasilien, wo er so gerne leben würde, „wenn es möglich wäre“, ebenso wie das geringe Maß an Achtung und Vertrauen, das man ihm in Berlin entgegenbringe. Und er kommt auch auf das taktische Konzept von Hertha BSC zu sprechen und kritisiert, dass er zu wenig Flanken bekomme und als Stürmer oft auf sich allein gestellt sei.

Dieser letzte Punkt war es, der Luizaos Trainer Huub Stevens aufbrachte. Stevens konterte, Luizaos Kritik an seinen Mitspielern sei „nicht fair“ und gehöre nicht in die Öffentlichkeit. Mittlerweile hat Luizao via Presseerklärung mitgeteilt, er bedaure die Irritationen, fühle sich wohl in Deutschland, wenn auch nicht mit seiner sportlichen Situation, werde aber versuchen, sich durchzusetzen. Mit Trainer Stevens hat er sich ausgesprochen, und am Umgang der beiden auf dem Trainingsplatz merkt man, dass der ihm nichts nachträgt. Öfter als jeden anderen nennt Huub Stevens den Brasilianer beim Namen, lobt ihn, muntert ihn auf. „Weiter geht’s, Lui!“

Es gibt zwei Kategorien von Fußballspielern auf dieser Welt. Die einen halten sich jederzeit für die Größten ihres Faches und besitzen die entsprechende Nervenstärke, zeichnen sich aber gelegentlich durch divenhaftes Verhalten wie etwa mangelnde Laufbereitschaft aus. Dazu gehören Mario Basler oder Marcio Amoroso. Die anderen sind – bisweilen geniale – Sensibelchen, die ihren Trainern nicht durch Lustlosigkeit Kummer bereiten, sondern mit Leistungsschwankungen aufgrund von Vorkommnissen auf oder außerhalb des Platzes, die sie sich allzu sehr zu Herzen nehmen. In diese Sparte fallen Spieler wie Thomas Häßler oder Andreas Möller. Oder eben Luizao.

Herthas Trainer Huub Stevens scheint zu wissen, welche Kategorie Spieler er vor sich hat, und er behandelt seinen Brasilianer entsprechend. Doch Luizao ist noch nicht ganz wiederhergestellt. Nach dem Training weicht er den Journalisten und ihren Fragen aus. Er will nicht sprechen. Mehr Spaß hat er daran, Autogramme zu geben und für Fotos mit den Fans zu posieren. Denn auch die Nachfragen der jugendlichen Fans sind eine Form der Anerkennung. Und Anerkennung, die hat Luizao in diesen schweren Tagen nötig.

Martín E. Hiller

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