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Sport: Gelandet, um zu lernen

Jürgen Klinsmann will Teamchef der Nationalmannschaft werden – und „immer auch ein Schüler sein“

Im Frankfurter Airport Center sind die Menschen auf der Durchreise. Geschäftsleute machen hier oft Zwischenstation, organisieren in unmittelbarer Nähe ihrer Abflugschalter schnell noch Meetings für ihre Firmen, führen Gespräche in den schicken Konferenzräumen – und dann geht es wieder hinaus in die Welt.

In einem dieser Konferenzräume, eingerichtet mit schwarzen Ledersesseln, sitzt Jürgen Klinsmann. Es ist Samstag, kurz vor elf Uhr am Vormittag. Gerade ist der neue Hoffnungsträger des deutschen Fußballs auf dem Flughafen gelandet. Er sieht gut aus nach dem langen Flug von Los Angeles, sein blaues Sakko und das hellblaue, offen getragene Hemd passen zum sonnengebräunten Gesicht. Und lachen kann er noch immer so schön wie früher, als er noch der Stürmer Jürgen Klinsmann war und mit weit ausgestreckten Händen, den Oberkörper leicht nach vorne gebeugt, nach einem Tor die ganze Welt umarmte.

Klinsmann ist gekommen, um die Bedingungen für seinen neuen Job auszuhandeln. Er will Teamchef der deutschen Fußball-Nationalmannschaft werden, das sagt er erstmals ganz deutlich, aber er will es nach seinen Bedingungen, und deshalb sei für ihn wichtig, dass der Deutsche Fußball-Bund (DFB) sich öffnen werde. An diesem Wochenende schon soll es laut Klinsmann in den Verhandlungen mit den Verantwortlichen im DFB „ans Eingemachte gehen“.

Jetzt, wo Jürgen Klinsmann in Frankfurt am Main sitzt und die Blitzlichter nicht greller sein könnten und das Surren der automatischen Kameras nicht lauter, lohnt sich ein kurzer Blick zurück. Bei der Fußball-EM in Portugal, erzählt Klinsmann, habe er nur zwei Spiele gesehen: „Das erste und das letzte, und die waren ja gleich.“ Dann ist er zurückgeflogen nach Kalifornien und hat sich „nicht mehr mit der deutschen Nationalmannschaft beschäftigt“. Er hatte andere Dinge zu tun: Er arbeitet im Management des amerikanischen Fußball-Teams Los Angeles Galaxy („der FC Bayern Amerikas“, wie Klinsmann sagt), er kümmert sich um sein Kinderhilfswerk mit mehr als 50 Mitarbeitern und eben seine Sportmarketing-Firma.

Dann, sagt Klinsmann, habe er ein Fax bekommen mit einem Artikel, in dem der holländische Trainer Arie Haan seinem ehemaligen Spieler Klinsmann rät, er möge eingreifen. Kurz darauf habe ihn Berti Vogts mit seinem Sohn besucht, man habe bei einem „wunderschönen Abendessen“ zusammengesessen und über die Trainerfrage diskutiert. Klinsmann wusste zu diesem Zeitpunkt nur: „Wenn ich es mache, dann müsste alles passen.“ Nur wenig später, als Vogts dem DFB wohl von diesem Treffen berichtet hatte, meldete sich DFB-Generalsekretär Horst R. Schmidt bei ihm und man vereinbarte ein Treffen in New York. „Und jetzt sitze ich hier morgens am Frankfurter Flughafen“, sagt Klinsmann und lächelt wieder.

Klinsmann weiß, dass dieses Lächeln allein nicht alle Kritiker wird beruhigen können, die ihm beispielsweise mangelnde Trainererfahrung vorwerfen oder, wie Schalkes Manager Rudi Assauer, finden, eine Verpflichtung Jürgen Klinsmanns sei nur eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für ehemalige Nationalspieler. Klinsmann kontert diese Kritik mit amerikanischer Smartheit. Aber auch mit Ehrlichkeit. Seine nicht vorhandene Berufserfahrung als Trainer sei ihm bewusst, trotz des Trainerscheins, den er 2000 in einem Sonderlehrgang im Schnellverfahren erworben hatte. „Deshalb werde ich den Job nur in Verbindung mit einem erfahrenen Trainer machen“, sagt er.

Klinsmann sieht es auch nicht als Nachteil an, dass er immer sehr eng an die Nationalmannschaft gebunden war, ob früher als Kapitän oder später als Botschafter für die WM 2006. Für Klinsmann war die Nationalmannschaft „immer auch ein Auffangbecken, wenn es im Klub schlecht lief“. Auch später, nach seiner aktiven Laufbahn, habe er nie den Kontakt zum DFB abreißen lassen und sei gerade vor der WM 2006 immer „auch emotional mit im Boot, auch wenn du über’m Teich lebst“. Diese Verbundenheit betont Klinsmann sehr, aber er ist sich auch nicht zu schade, offen anzusprechen, dass er „immer auch Schüler sein will“. Was naiv klingen kann, hört sich aus Klinsmanns Mund überzeugend an, weil er diese Eigenschaft, lernen zu wollen, nun auch vom DFB fordert. Man solle sich anschauen, wie in anderen Ländern gearbeitet werde, oder auch, was man von anderen Sportverbänden abgucken könne.

Wer Klinsmann bei seinem Vorhaben der Erneuerung helfen soll, blieb gestern noch unklar. Als erster Kandidat afür einen von Klinsmann geforderten „sehr erfahrenen Trainer“ gilt wie berichtet Holger Osieck, der bereits Franz Beckenbauer beim Gewinn des WM-Titels 1990 assistiert hatte. Für den Job des Team-Managers wird Ex-Nationalspieler Oliver Bierhoff gehandelt, auch Ralf Rangnick wird weiterhin als Kandidat für die Koordination des Juniorenbereiches genannt. Klinsmann äußerte sich nicht zu diesen Spekulationen. Er will jetzt verhandeln, ohne Öffentlichkeit.

Jürgen Klinsmann ist in Deutschland gelandet. Und es sieht so aus, als befinde er sich nicht auf der Durchreise.

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