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Sport: Gelehrter unter Druck

Argentiniens Trainer braucht Erfolge – kurzfristig

Der Mann mit der blau-weißen Pudelmütze bewegt sich kaum. Er hat die Arme hinter dem Rücken verschränkt. Manchmal läuft er ein paar Schritte über den Rasen. Er schweigt und beobachtet. Aber er macht sich keine Notizen. Um ihn herum wird gerannt, gebrüllt, gelacht und dabei Fußball gespielt. Der Mann heißt José Néstor Pekerman. In Europa kennt ihn fast niemand, dabei ist die Wahrscheinlichkeit nicht gering, dass er den kommenden Weltmeister trainiert.

Die weit in die Luft ragende Kopfbedeckung des Argentiniers lässt den Trainer im Düsseldorfer Paul-Janes-Stadion nicht einmal lächerlich erscheinen. Das liegt daran, dass Pekermans Gesicht darunter mit den vielen Charakterfurchen und der prächtigen Nase noch markanter wirkt und jeden Eindruck dominiert. Hier strahlt einer Charisma aus.

Pekerman mag in der restlichen Welt unbekannt sein, in Argentinien wird er verehrt. Er ist der „Professor“, ein Gelehrter in Sachen Fußball. Man vertraut seiner Philosophie. Allerdings könnte all das, was Pekerman sich seit 1994 aufgebaut hat, jetzt nichts mehr zählen. Denn für seine nunmehr schwerste Aufgabe als Trainer kann er seine Prinzipien nicht mehr allein anwenden.

Seit Oktober ist der 55-Jährige verantwortlich für die A-Nationalmannschaft. Vorher hat er zehn Jahre lang mit Junioren gearbeitet, Talente gesichtet und die Nachwuchsarbeit revolutioniert. Seine Arbeitsnachweise lauten unter anderem Juniorenweltmeister 1995, 1997 und 2001. Fast alle Spieler seines Kaders haben die von Pekerman ausgebildeten Jugendteams und dessen Charakterschule durchlaufen. Bisher war Pekermans Stil gekennzeichnet von langfristiger Planung, nun muss er kurzfristig den Erfolg erzwingen. Das heißt in Argentinien Titelgewinn.

Mit Junioren zu arbeiten, sagt Pekerman, bedeute Gegenwart und Zukunft in einem zu betreuen. Deshalb seien nicht die Juniorentitel die Triumphe, sondern „die Entwicklung der Spieler“. Seine Teams hat Pekerman nie in ein enges taktisches Korsett gedrängt, weil die „Spieler ihre Individualität entfalten sollten“. Er hat stets darauf gesetzt, dass die Spieler die gewährten Freiräume mit ihrem Talent ausfüllen. Nun „zählt nur das Ergebnis“, sagt Pekerman. Nun muss er auch erfahrene Spieler wie Crespo oder Zanetti dazu bringen, ihre Individualität einzubringen, sie integrieren, ohne die Teamfähigkeit zu gefährden. Jetzt trainiert er auch knallharte Profis, die nicht nur ehrfürchtig zu ihm aufschauen.

José Pekerman sieht diese Gefahren, weiß um den Druck, gewinnen zu müssen. Der Nationaltrainer formuliert das natürlich auf seine Weise: „Der Traum vom Triumph ist unsere permanente Passion.“ In Düsseldorf begannen die argentinischen Journalisten bereits, ihn heftiger anzugehen, ja, ihn zu kritisieren. Warum er nicht in der Lage sei, 48 Stunden vor dem Spiel sein Aufgebot zu benennen, wollte einer wissen. Pekerman atmete kurz durch und antwortete dann so höflich und ruhig wie bei jeder anderen Frage. Er könne doch nicht etwas öffentlich machen, was noch nicht einmal seine Spieler wüssten.

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