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Sport: Genial oder versponnen

Warum der deutsche Basketball-Bundestrainer Henrik Dettmann bei der EM immer stärker in die Kritik gerät

Norrköping. Auch das Feuerzeug funktioniert nicht mehr. Roland Geggus steht am Montagvormittag vor der Himmelstalundshallen in Norrköping und versucht genervt, seiner Zigarette endlich Nikotin entziehen zu können. Dazu müsste die Zigarette endlich angezündet sein, was dem Präsidenten des Deutschen Basketball-Bundes (DBB) nicht gelingen will: der starke Wind, ein schwächliches Feuerzeug, die eigene Ungeduld. Als die Zigarette doch glimmt, sagt Geggus: „Es gibt keine Trainerdiskussion.“

Das stimmt natürlich nicht – der Präsident weiß das auch. Es ist wie mit der Zigarette, die er in seiner linken Hand hält. Roland Geggus hat die Diskussion unmittelbar nach der Weltmeisterschaft in Indianapolis selbst entzündet. Damals sagte er dem Tagesspiegel: „Henrik Dettmann hat eine zweite Chance verdient.“ Dabei hatte dieser mit der deutschen Basketball-Nationalmannschaft gerade die Bronzemedaille gewonnen. Vor der EM soll die gestörte Beziehung zwischen Verband und Trainer eskaliert sein. Der DBB soll Henrik Dettmann bereits abgemahnt haben, weil er vor dem Jubiläumsspiel im Juli gegen das Europameisterteam von 1993 eine Trainingseinheit angesetzt hatte. Das Spiel musste verspätet gestartet werden. Nach dem 71:93-Debakel im letzten EM-Vorrundenspiel gegen Litauen ist die Kritik an ihm nicht mehr zu überhören. Eine Verlängerung seines Vertrages nach der EM käme nach der Niederlage gegen Italien einem Wunder gleich. Dettmann wurde danach bereits von den deutschen Fans verspottet. „Nur wir bleiben hier“, sangen sie ihm entgegen.

Zu deutlich war schon vorher zu hören, wie Flügelspieler Marko Pesic in einer Auszeit Henrik Dettmanns Anweisungen kommentierte. „Das ist doch Bullshit“, sagte er. Nach dem Spiel äußerte sich auch Aufbauspieler Mithat Demirel vorsichtiger: „Taktische Fragen bitte an den Bundestrainer.“ Dieser hatte gegen Litauen lange eine Zonenverteidigung angeordnet, obwohl die Litauer einen Dreipunktewurf nach dem anderen trafen. „Manndeckung ist unsere beste Verteidigung“, sagte Demirel. Der Präsident sieht das ähnlich: „Alle sagen, er hätte nicht so lange Zonenverteidigung spielen dürfen.“ Trotzdem will er das nicht überbewerten. Der Präsident sagt richtig: „Die Manndeckung hat gegen Litauen auch nichts gebracht.“

Ein grundlegendes Problem ist, dass die Spieler in Henrik Dettmann selbst eine dauerhafte Ausrede besitzen, wenn es nicht läuft. Der Trainer ist, seit bekannt ist, dass er nicht die volle Unterstützung durch sein Präsidium hat, in seiner Autorität geschwächt. Hinzu kommt, dass er in seiner bescheidenen Art wenig Wert darauf legt, als Autorität zu wirken. „Der Trainer ist für die Spieler da, nicht umgekehrt“, sagt Dettmann. Er steht für eine eigentümliche Art, die Mannschaft zu coachen. Der „Spiegel“ schrieb: „Es ist nicht klar, ob Dettmanns Philosophie genial ist oder versponnen.“ In Auszeiten soll die Mannschaft selber auf die entscheidenden Ideen kommen. Dettmann berät sich inzwischen mit seinen Kotrainern und greift dann erst ein. Einerseits sprechen die Erfolge und die bisherige Aufwärtsentwicklung des Teams für Dettmann. Andererseits kann er mit Dirk Nowitzki einen der besten zehn Basketballer der Welt auf das Parkett schicken.

„Ich mag keine Auszeiten, ein Trainer kann doch keine Punkte erzielen“, sagte Dettmann. Die Spieler müssen sich auf dem Feld selber schon helfen. Als im ersten Spiel ein Vorsprung von 19 Punkten auf vier schrumpfte, verzichtete er wohl deshalb auf eine Auszeit. Später gab Dettmann zu: „Das war ein Fehler.“ Benedikt Voigt

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