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Sport: German Open: Abnabelungsversuch Nummer zwei

David Taylor wird bei den German Open ein paar Fragen beantworten müssen. Denn der Australier ist der neue Mann an der Seite der Tennis-Weltranglistenersten Martina Hingis.

David Taylor wird bei den German Open ein paar Fragen beantworten müssen. Denn der Australier ist der neue Mann an der Seite der Tennis-Weltranglistenersten Martina Hingis. Allerdings nicht im privaten, sondern im professionellen Bereich. Taylor hatte der 20-jährigen Schweizerin schon 1999 als Trainingspartner die Bälle zugeschaufelt. Seit rund drei Wochen begleitet er Hingis als Trainer auf der Tour. Das Bemerkenswerte ist, dass Taylor zuvor noch keine Topspielerin in dieser Funktion betreut hat. "Ich kenne ihn nur als Hitting-Partner", sagt Berlins Turnierdirektor Eberhard Wensky. Hitting-Partner klingt nicht gerade hochqualifiziert und bedeutet, dem Gegenüber helfen, bei Ballwechseln das Schlaggefühl und die Präzision zu erhalten.

Das hat Melanie Molitor mit Martina, die bereits mit 15 Jahren in die Weltspitze stieß, schon lange nicht mehr getan. Dazu reichte es bei der 43-jährigen Mutter von Martina Hingis nicht, obwohl sie einst in Kosice/Slowakei zu den besten Spielerinnen zählte. Als ihr Töchterchen acht Jahre war, durfte Melanie zwecks Heirat eines Herrn Molitor in die Schweiz umsiedeln. Daher übrigens die unterschiedlichen Namen Hingis und Molitor.

Mutter Molitor war die entscheidende Schubkraft für die atemberaubende Karriere ihrer Tochter. 1997 gewann Martina Hingis als 17-Jährige das bedeutendste Turnier der Tenniswelt in Wimbledon und kletterte als jüngste Spielerin im selben Jahr auf den Thron der Weltranglistenersten. Der Damen-Profizirkus hatte eine neue Prinzessin.

Bis 1999 ging auch alles mehr oder minder glatt und erfolgreich in der komplizierten Doppelrolle von Melanie Molitor als Mutter und Trainerin. Gelegentliche kleinere Turbulenzen half auch Mario Widmer beizulegen. Der frühere Schweizer Tennis-Journalist war zum Lebensgefährten der Mutter geworden. Ein väterlicher ausgleichender Typ zwischen zwei starken Frauen, der zugleich auch einen Teil der geschäftlichen und medialen Aufgaben erledigte. Doch vor zwei Jahren reichten Widmers Qualitäten als Puffer nicht mehr. Martina, auch verunsichert über die aufkommende Konkurrenz durch Lindsay Davenport und die Williams-Schwestern, startete einen ersten Abnabelungsversuch und reiste ohne Mutter in Wimbledon an. Das katastrophale Ergebnis: Erstrundenniederlage gegen die Qualifikantin Jelena Dokic.

Martina, eigenwillig schon, aber durchaus einsichtig, kehrte unter die mütterlichen Trainingsfittiche zurück. Bis zur Halbfinal-Niederlage im März in Miami gegen Venus Williams. Danach setzte sich der Familienrat zusammen und beschloss, Martina nimmt ihr sportliches Schicksal "in die eigenen Hände". Die Turniere in Amelia Island und Charleston zeigten Melanie Molitor nicht mehr in der Spielerinnenbox. "Die Trennung war die einzige Möglichkeit, um der persönlichen Beziehung nicht zu schaden", sagt die Mutter, die fast täglich mit ihrer Tochter telefoniert. Und die sagt: "Ich liebe meine Mutter. Doch jetzt haben wir einfach etwas Distanz, und das tut irgendwie gut." Und für die sportliche Vorbereitung ist ja jetzt der Trainer-Novize David Taylor da.

Ernst Podeswa

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