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Sport: Geschlagen und gescheitert

Deutsches Eishockey-Team verliert 2:3 gegen Dänemark und muss nun auf Hilfe der Österreicher hoffen

An einem Hintereingang der Innsbrucker Olympiahalle setzte sich der schmucklose Bus in Bewegung. Es war kurz vor 16 Uhr. 75 Minuten nach einem neuerlichen, völlig unerwarteten Debakel der deutschen Eishockey-Nationalmannschaft bei der Weltmeisterschaft in Österreich. 3:4 (1:1, 1:1, 0:1) hatten die Deutschen im letzten Spiel der Abstiegsrunde gegen Außenseiter Dänemark verloren und damit nicht nur den Rest der eigenen Reputation verspielt, sondern vor allem die Chance, den Klassenerhalt aus eigener Kraft zu schaffen. Es begann zu regnen, als die Deutschen aus Innsbruck flüchteten. Und sietaten es nicht einmal gemeinsam, einige Spieler hatten noch schnell ihre Taschen aus dem vom Gastgeber Österreich gestellten Bus geholt und waren auf anderen Wegen verschwunden.

Eine aus deutscher Sicht abenteuerliche WM hatte ihren negativen Höhepunkt erreicht. Am Tag zuvor hatten die Deutschen und ihr heftig in der Kritik stehender Bundestrainer Greg Poss Slowenien 9:1 besiegt. Die Verantwortlichen im Deutschen Eishockey-Bund (DEB) waren davon ausgegangen, dass damit wenigstens die Schadensbegrenzung, also der Klassenerhalt, so gut wie gelungen sei. Aber wie so oft bei dieser WM war das ein Trugschluss. Es waren die Dänen, die am Ende ausgelassen durch die Gänge tanzten und vor Freude brüllten. Die Deutschen dagegen ließen sich nicht mehr blicken und enteilten dem Ort der Peinlichkeit, so schnell es ihnen möglich war. Im Bus werden viele erst realisiert haben, dass sie nun auf Österreich hoffen müssen. Nur wenn der Nachbar Slowenien heute Abend schlägt, ist Deutschland weiterhin in der A-Gruppe. Allerdings darf Österreich nicht mit mehr als sieben Toren Unterschied gewinnen – sonst ist Deutschland als Tabellendritter abgestiegen.

Egal aber, wie es letztlich kommt: Greg Poss ist gescheitert. Nur eine Saison nachdem der US-Amerikaner das Amt des Bundestrainers von Hans Zach übernommen hat, rutschte die Nationalmannschaft beim WM-Turnier in Österreich in ihre größte Krise seit dem Aufstieg in die A-Gruppe im Jahr 2000. Poss wollte um eine Medaille mitspielen, nun hat er mit seinem Team nicht einmal aus eigener Kraft den Klassenerhalt geschafft. „An der Mannschaft lag es nicht“, sagte Poss. „Wir haben gute Spieler mit gutem Charakter, aber irgendwie in diesem Turnier nie die richtige Dynamik gehabt.“ So wie gestern, als die verunsicherten Deutschen die biederen Dänen in einem niveaulosen und langsamen Spiel trotz zweimaliger Führung durch Jochen Hecht (Mannheim) und Timo Boss (Köln) nicht besiegen konnten. Nachdem der Krefelder Torwart Robert Müller bei einem Konter der Dänen zehn Minuten vor Schluss gepatzt hatte erzielte Kasper Degn das Tor zum 3:2 für Dänemark. Die Deutschen waren geschockt, gelähmt.

Trotzdem stellte sich DEB-Sportdirektor Franz Reindl gestern hinter seinen Trainer: „Das ist ein bitterer Augenblick für uns, aber zum momentanen Zeitpunkt stehe ich zu hundert Prozent zu Greg Poss.“ Wie lange für Reindl ein „momentaner Zeitpunkt“ währt, wird sich zeigen. Poss beteuerte, er wolle weitermachen als Bundestrainer, gleichzeitig aber übernahm er die Verantwortung für das Desaster. „Ich bin als Trainer dafür verantwortlich, weil ich das Potenzial der Mannschaft nicht ausgenutzt habe“, sagte Poss und bemerkte nicht, wie konsequent doch angesichts seiner Worte ein sofortiger Rücktritt gewesen wäre.

Der Bundestrainer hat die Mannschaft beim Turnier nie erreicht, das Team sein offensives Spielsystem nicht verinnerlicht. Das ist den Aussagen der Spieler zu entnehmen. „Wir hatten zu viele Flausen im Kopf“, sagte der Düsseldorfer Stürmer Klaus Kathan. „Außerdem sind wir nicht als ein Team aufgetreten.“ Offen gegen die Arbeit von Poss äußerte sich allerdings nach der Niederlage gegen Dänemark kein einziger Spieler. „Hier hat keiner gegen den Trainer gespielt“, sagte der Berliner Stürmer Alexander Barta.

Noch aber ist die WM für die Deutschen nicht ganz vorbei. Falls Österreich heute Abend Slowenien 8:0 besiegte, hätten Deutschland und Österreich ein gleiches Tor- und Punktverhältnis und müssten am Donnerstag in einem Penaltyschießen den zweiten Absteiger ausspielen. In diesem Fall müssten die Deutschen ihre Torhüter und Penaltyschützen wieder nach Innsbruck einfliegen, denn die Mannschaft ist ja schon weg.

Vieles, was bisher bei dieser WM geschah, erschien für die Deutschen vorher unvorstellbar. Und vielleicht geht der Albtraum noch weiter – im Entscheidungsschießen gegen den Nachbarn.

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