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Schlagende Argumente. Christina Hammer verlor gegen Claressa Shields erstmals.

© Mitchell Jeff/AFP

Gesicht des deutschen Frauenboxens: Christina Hammer ist die, die niemals aufgibt

Boxerin Christina Hammer ist unkonventionell, provoziert gerne und zeigt sich nicht nur im Ring. Allerdings gibt es auch eine Schattenseite.

Es müssen immer Superlative sein. Dazu passt perfekt ins Bild, dass die 28-jährige Dortmunderin Christina Hammer heute ungeschlagene, vierfache Weltmeisterin sein könnte. Die Realität sieht aber anders aus. Hammer verlor den Kampf gegen die Amerikanerin Claressa Shields in Atlantic City Mitte April klar und deutlich. Den größten Kampf in der Geschichte des Frauenboxens.

Neun Jahre lang war Christina Hammer, die gebürtige Kasachin, in 24 Kämpfen unbesiegbar, kannte es nicht, am Rande einer Niederlage zu stehen. Gegen Shields ging sie erstmals seit Jahren wieder zu Boden. Und stand wieder auf. Dass die Amerikanerin sie vom Boxthron gestoßen hat, bestreitet sie vehement. „Das ist eine neue Erfahrung für mich“, gibt sie zu. „Aber so ist es nun mal im Sport und es gehört dazu.“ Und Hammer wäre nicht Hammer ohne Kampfansage: „So schnell gebe ich nicht auf – im Rematch möchte ich die Sache klären.“

Sätze wie diese zeigen, dass Hammer sehr gerne selbst bestimmt, wann der Kampf vorbei ist. Er fängt für sie ohnehin nie mit dem Gong vor der ersten Runde an. Sie ist keine Frau von Traurigkeit, provoziert, wo sie nur kann. Mit dieser Art rannte sie gegen Shields speerangelweit offenstehende Türen ein. Die Amerikanerin warnte Hammer noch vor dem Kampf, sie „entzwei“ brechen zu wollen. „Es gehört mit dazu“, sagt die Dortmunderin. „Ich war im Vorfeld auch nicht ganz so brav. Das hat den Kampf ein bisschen mehr angeheizt.“

Gebracht hat es ihr nichts. Über die Osterfeiertage hatte Christina Hammer Zeit, ihre erste Niederlage zu verarbeiten. In solchen Tagen zieht sie sich an ihrem Vorbild hoch, dem ehemaligen Schwergewichtsweltmeister Wladimir Klitschko. „Er ist ein Ausnahmeathlet, intelligent und strategisch stark“, sagt sie. Auch er musste Niederlagen einstecken und ließ sich nicht unterkriegen. Zudem rückte er den Boxsport in Deutschland deutlich in die Öffentlichkeit.

Hammer ist Testimonial bei mehreren Unternehmen

Hammer will es ihm gleichmachen – und nichts weniger als das Gesicht des Frauenboxens werden. „Ich möchte das revolutionieren“, sagt sie. Für sie schließt es sich nicht aus, dass jemand stark im Ring ist, aber auch außerhalb des Rings attraktiv. „Als Frau muss man nicht automatisch eine Boxerin mit schiefer Nase sein.“

Das zeigt sie seit Jahren. Die 28-Jährige ist Testimonial für verschiedene Unternehmen – für sie gehört es ein Stück weit zu ihrem Leben als Sportlerin dazu. Sie steht mindestens genauso gerne vor der Kamera wie im Ring. „Ich freue mich, wenn Menschen das wahrnehmen und dann meinen: ‚Ach, so gut boxen kannst du auch?‘“ Sie will ihre Vielseitigkeit nutzen, um eine breite Masse anzusprechen. Nicht nur jene, die Boxen gut finden.

Trainingseifer. Christina Hammer ist positiv verrückt.
Trainingseifer. Christina Hammer ist positiv verrückt.

© Florian Lechner/EasyMotionSkin

Solchen ist sie ohnehin schon länger ein Begriff. Dabei ist es ihrem Onkel zu verdanken, dass sie den Schritt ins Frauenboxen überhaupt gewagt hat. Erst mit 15 Jahren fand die Karriere Hammers ihren Anfang, als er sie einfach mal mit zum Training nahm. „Meine Familie ist sehr boxsportbegeistert, schon immer gewesen.“ Sie habe es dann so interessiert, dass sie einfach mal mitgekommen sei. „Ich war nie so ein richtiges Mädchen, sondern habe lieber mit meinem Bruder Fußball gespielt“, sagt sie, „und Kampfsport an sich hat mich schon sehr interessiert.“ So begann sie. Und blieb dabei.

Heute trainiert sie der mittlerweile 81-jährige Dimitri Kirnos, der zugleich ein enger Vertrauter ist – und ein harter Hund. Für ihn und den Erfolg spult sie die verrücktesten Trainingsprogramme ab. Wie vor dem Shields-Kampf, als drei Einheiten am Tag anstanden. Früh morgens ging es aus dem Bett. Ein Intervall-Training und ein Berglauf im Schnee später stieg sie in den Boxring. Quasi als Nachspeise.

Beim Essen muss Hammer vorsichtig sein

Speisen sind ein gutes Stichwort. Bei denen muss Hammer vorsichtig sein. Sie ist glutenunverträglich, was sie besonders bei ihren ersten Karriereschritten beeinflusst hat. „Die erste Zeit war natürlich nicht so einfach, weil man sich umstellen muss“, sagt Hammer, die gerade in Zeiten des Trainings sensibel ist. Dann muss alles gut organisiert sein. Die Essensaufnahme muss vorbereitet werden und sie muss genug zu essen für unterwegs mitnehmen. „Ich habe mich damit arrangiert.“ Auch vor dem Karriere-Highlight in Amerika wurde am heimischen Herd gekocht und nichts dem Zufall überlassen.

Zufall soll es auch in den kommenden Monaten nicht geben. Hammer will noch stärker zurückkommen und dafür im Training einiges umstellen. Geplant ist ein Zwischenkampf in Deutschland vor dem Rematch gegen Shields Ende des Jahres, der mit Sicherheit wieder als einer der höchstdotierten im Frauenboxen in die Geschichte eingehen wird. Dann will sie sich die vier Titel von Claressa Shields holen. Um das zu schaffen, muss sie wohl noch härter arbeiten. Sicher ist nur eins: Aufgeben wird Christina Hammer nicht.

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