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Sport: Gewalt genügt nicht

Tennisstar Roddick verliert gegen Zyprer Baghdatis

Melbourne - Andy Roddick kratzte sich am Kopf, verlegen, verunsichert, verwirrt. Der Amerikaner tat das am Sonntag häufig – immer, wenn wieder ein Ball an ihm vorüber gezischt war. Zum letzten Mal fuhr er sich um 16:48 Uhr Ortszeit durchs Haar, dann machte sich der vermeintlich einzige Herausforderer von Tennisstar Roger Federer mit hängendem Kopf auf dem Weg zum Netz, wo ihn sein Bezwinger schon erwartete. Es war nicht Federer, sondern ein Ungesetzter, der erst sieben Matches bei Grand-Slam-Turnieren gewonnen hat: Marcos Baghdatis. Nach 152 Minuten in der Rod-Laver-Arena hatte der Zyprer den an Nummer zwei gesetzten Mitfavoriten 6:4, 1:6, 6:3, 6:4 bezwungen.

Am glücklichsten darüber war neben Baghdatis selbst dessen Fangruppe, die ganz in blau gekleidet ihren Helden mit ohrenbetäubendem Lärm begleitet hatte. Eigentlich seien sie eher Fußballfans und er habe ihnen erst einmal die Tennisregeln erklären müssen, berichtete Baghdatis. Der Juniorenweltmeister von 2003 – in jenem Jahr gewann Roddick bei den US Open seinen bisher einzigen großen Titel – hat in Melbourne eindeutig Heimvorteil. Neun Onkel und 21 Cousins leben in der Stadt mit der drittgrößten griechischen Bevölkerungszahl der Welt – alles Verwandte seines aus dem Libanon stammenden Vaters. Die singenden Fans rekrutieren sich aus der griechischen Gemeinde.

Mit welcher Leichtigkeit Baghdatis momentan in Melbourne auftritt, zeigt seine Antwort auf die Frage, ob er sich das Match seines nächsten Gegners am Abend im Fernsehen anschauen wolle. Nein, antwortete Baghdatis, das überlasse er seinem Trainer: „Ich schlafe heute Nacht lieber mit meiner Freundin.“ Am nächsten Morgen konnte ihm sein Coach berichten, dass er auf Ivan Ljubicic trifft. Der kroatische Daviscupsieger setzte sich 6:2, 6:4, 6:4 gegen Thomas Johansson durch.

Während Baghdatis und seine Anhänger feierten, suchte Roddick nach einer Erklärung für die erneute Pleite, nachdem er im vergangenen Jahr bei den US Open schon in Runde eins ausgeschieden war. Der kräftige Roddick war sogar schon einmal die Nummer eins, hat sich aber in den vergangenen Jahren kaum weiter entwickelt. In Matches wie dem gegen Baghdatis fehlt ihm eindeutig die Variablität, nur brachiale Gewalt ist nicht ausreichend. „Gegen einen anderen Spieler hätte ich heute gewonnen“, sagte Roddick. Was schief gegangen sei, könne er sich noch nicht erklären, murmelte er und kratzte sich am Kopf.

Alexander Hofmann

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