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© AFP

Gianluigi Buffon: Der heilige Torwart

Alle Hoffnungen ruhen auf Gianluigi Buffon: Er soll Italien heute im Spiel gegen Frankreich vor dem Ausscheiden bewahren. Denn in seiner Heimat ist der Ästhet zwischen den Pfosten schon lange der Größte.

Ein Lächeln? Kein Problem. Grazie! Prego! Ein Autogramm? Sofort. Grazie. Prego! Vielleicht noch ein Foto? Geht. Grazie! Prego! Der Weltstar des Weltmeisters zum Anfassen. Die Kameras surren. Gianluigi Buffon beugt sich zu den Kindern herab, die verbogene Brillen, verwaschene Trikots der italienischen Nationalmannschaft tragen. Verehrer, die stundenlang vor dem Casa Azzurri, der umfunktionierten Bettfedernfabrik von Bad Waltersdorf, gewartet haben, nur um eine Unterschrift zu ergattern. Kann der 30-Jährige daran vorbeigehen? Kann er nicht. Also lächelt er, er schreibt, er posiert.

Nur an solchen Orten wie diesen hat die Öffentlichkeit überhaupt noch eine Chance, ihre Idole zu Gesicht zu bekommen. Das sogar von der Autobahn aus ausgeschilderte Casa Azzurri dient als Medienzentrum der Italiener. Es ist nicht so hermetisch abgeriegelt wie das anderer EM-Teilnehmer, und am Sonntag hat die heimelige azurblaue Welt hier vor den Toren von Wien ziemlich heil ausgesehen. Was vor allem an ihrem Welttorhüter lag.

Man hatte Buffon zum offiziellen Pressetermin geschleppt, was eine verdammt kluge Idee in einer verdammt gefährlichen Gemengelage gewesen ist. Zum einen taugt der smarte Italiener mit dem pechschwarzen Haar, dem gepflegten Dreitagebart und dem hoch geschlagenen weißen Hemdkragen wie kaum ein anderer zum ansprechenden Fußballmodel, an dem sich Fans und Fotografen gleichermaßen erfreuen. Zum anderen dient derzeit allein dieser Mann den Medien dazu, vor dem Gruppenendspiel heute gegen Frankreich in Zürich (20.45 Uhr) auf gute Stimmung und traute Zuversicht zu machen. Jedem anderen, erst recht nicht dem eigentlich schon entlassenen Trainer Roberto Donadoni, würde man die vielen Worthülsen gar nicht glauben. Aber wenn Buffon sagt, uns macht das noch stärker, wenn wir nach dieser bislang nicht so glücklichen Gruppenrunde weiterkommen, ist das eine Botschaft und eine Nachricht.

Er hat sich nach dem Ausfall von Fabio Cannavaro die grellgelbe Kapitänsbinde an den rechten Oberarm binden dürfen, er war der Ausnahmetorhüter, der mit einer außergewöhnlichen Elfmeterparade, bei der rechte Hand und rechter Fuß im seltenen Gleichklang funktionierten, überhaupt das 1:1 gegen Rumänien sicherte. Für das Sportblatt „Gazzetta dello Sport“ ist er jetzt „San Buffon“, der heilige Buffon. Und auch die anderen Gazetten sagen das Hohelied auf den Torwart. „Dank Buffon haben wir noch Zeit, bevor wir die Koffer packen müssen“, urteilte „La Stampa“.

Italien muss siegen, Rumänien darf nicht gewinnen, sonst ist auch diese EM vorzeitig zu Ende. „Wir müssen das Spiel unseres Lebens machen. Noch so einen K. o. wie vor vier Jahren in Portugal würde ich nur schwer verkraften“, hat der Tormann gesagt. So etwas hört die italienische Presse gerne, die derzeit allein die Nummer eins von den vernichtenden Kritiken ausspart. Ansonsten wird erstaunlich viel Kraft darauf verschwendet, absurde Verschwörungstheorien zu konstruieren, was Buffon gar nicht gut heißt. „Wir müssen die Schiedsrichter und all diese Überlegungen vergessen“, sagt Gianluigi Buffon. „Es zählt nur das Spiel gegen Frankreich und das Ergebnis.“

Die Ergebnissicherung hat keiner so perfektioniert wie der 1,91 Meter große Ästhet zwischen den Pfosten. Sein Torwartspiel ist eine einfach wirkende Interpretation. Aber das ist ja die wahre Kunst, die unnötigen Flugshows wirklich überflüssig zu machen. Den Besuchern in Wien fliegt Buffon an der nagelneuen U-Bahn-Station Stadion entgegen. Natürlich sind es Werbeplakate seines Ausrüsters, aber das Bild verrät viel über ihn: Buffon sieht aus wie eine Raubkatze, die den Ball als Beute auserkoren hat; und das beschreibt ziemlich gut seinen Stil, der auf Effektivität, auf das Eingreifen im richtigen Moment abzielt. Ein Torhüter müsse mit sicherem Auftreten und nicht mit akrobatischen Einlagen überzeugen, sagt er. Zu bekritteln gibt es bei ihm, wenn überhaupt, nur etwas am Outfit. Im Training hat er schwarze Stutzen über die Trainingshose bis ans Knie gezogen, zur schlabberigen Trainingsjacke trägt er selbst bei drückender Schwüle eine Mütze oder ein Stirnband. Jeder Keeper der Kreisliga würde für so ein Outfit verspottet.

Im Spiel am Freitag hatte Gianluigi Buffon gar ein dunkelblaues Halstuch umgebunden. Als der Jubel um den gehaltenen Strafstoß von Adrian Mutu allzu groß wurde, hatte der Torwart hernach alle Mühe, es wieder unter das dunkelgrüne Trikot zu stopfen. Es ist ihm gerade noch gelungen, und jetzt soll es ein Glücksbringer sein. Vielleicht hilft es den Italienern ja. Zumindest der Torhüter hätte es verdient.  

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