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Gladbach: Ziege will alle halten

Im Tagesspiegel-Interview spricht Gladbachs neuer Sportdirektor Christian Ziege über den drohenden Abstieg, Uli Hoeneß und den Poker um Marcell Jansen.

Herr Ziege, rechnen Sie manchmal, wie viele Spiele Borussia Mönchengladbach gewinnen muss, um den Abstieg doch noch zu verhindern?

Natürlich spielst du die Spiele im Kopf durch - obwohl du ganz genau weißt, dass das nichts bringt. Du kannst nicht beeinflussen, wie deine Konkurrenten spielen, vor allem nicht in dieser Saison. An jedem Spieltag sind Ergebnisse dabei, bei denen du denkst: Das gibts doch gar nicht.

Am Wochenende spielen Sie beim Tabellenführer Schalke, außerdem noch gegen Bayern und Stuttgart. Was lässt Sie hoffen?

Ich habe als Spieler selbst im Abstiegskampf gestanden, ich weiß also, dass das kein Selbstläufer ist. Aber warum sollen wir von den sieben Spielen nicht fünf gewinnen? Mainz und der HSV haben es auch geschafft, da unten rauszukommen. Wenn du eng zusammenrückst, äußere Einflüsse ausblendest und auf dem Platz alles dafür tust, um zu gewinnen, funktioniert das. Wenn aber nur ein oder zwei Spieler nicht mitmachen, hast du keine Chance.

Welchen Einfluss können Sie als Sportdirektor auf den Abstiegskampf nehmen?

Ich kann den Spielern bestimmte Dinge mitgeben, die wichtig sind. Deshalb bin ich, so oft es geht, draußen am Trainingsplatz: Ich will sehen, wie die Spieler sich verhalten, auch taktische Dinge erkennen. Ich höre zu und unterstütze den Trainer. Ich kann schon eine Menge tun, nur spielen kann ich nicht.

Reden Sie vor den Spielen zur kompletten Mannschaft?

Das entscheide ich situativ - und nur in Abstimmung mit Jos Luhukay. Es bringt ja nichts, dass der Trainer eine Ansprache hält, dann kommt der Sportdirektor, und am Ende redet noch einmal der Trainer. Ich halte auch nichts von Aktionismus: Man sollte nicht so viel Ungewohntes in die Situation hineinbringen. Die Situation an sich ist für die Spieler schon ungewohnt genug.

Die Entscheidung für das Amt des Sportdirektors - war das auch eine Grundsatzentscheidung gegen den Trainerjob?

Nicht unbedingt. Der optimale Fall wäre natürlich, dass wir das Ganze hier neu und hoffentlich erfolgreich gestalten und dass ich - ich nehm jetzt mal eine Zahl, die bewusst hoch gegriffen ist - 20 Jahre Sportdirektor bleibe. Dann wäre ich 55 und würde wahrscheinlich nicht mehr als Trainer arbeiten.

Die wichtigste Frage, die sich ein Sportdirektor am Anfang stellen muss: Setz ich mich auf die Tribüne oder auf die Trainerbank?

Ich bin ganz gerne unten dabei, weil ich ein Spiel mitlebe. Auf der Tribüne kann ich das nicht. Da rutscht dir auch mal ein Wort raus, das besser nicht fallen sollte. Und das bekommen dann zehn Leute mit, die sofort damit hausieren gehen, weil sie nichts Gutes im Schilde führen.

Haben Sie Jos Luhukay Ihre Entscheidung vorher mitgeteilt?

Ich habe ihn gefragt. Und wenn er ein Problem damit gehabt hätte, hätte ich mich auf die Tribüne gesetzt.

Seit vier Wochen sind Sie im Amt. Was hat Sie bisher am meisten überrascht?

Für wie viele Dinge man zuständig ist. Aber so ähnlich habe ich das auch erlebt, als ich hier die U 17 übernommen habe. Es hat mich erstaunt, wie viel da auf einen zukommt. Am Anfang hatte ich damit große Probleme. Dafür kann ich die Situation jetzt umso besser einordnen. Ich weiß, dass ich noch gar nicht alles wissen kann.

Hatten Sie keine Bedenken, dass die Aufgabe eine Nummer zu groß für Sie ist?

Ein solcher Posten wird leider selten frei, wenn in einem Verein alles top läuft. Man hat mich nun mal jetzt gefragt, ob ich mir diese Aufgabe zutraue, und eins habe ich gelernt - dass du auf solche Fragen grundsätzlich erstmal ja sagst. Es geht schließlich um Fußball, das einzige Thema, in dem ich mich wirklich gut auskenne.

Im Winter hieß es noch, Sie könnten in den Trainerstab von Jupp Heynckes aufrücken. Sind Sie Borussias Geheimwaffe?

Diese Überlegung hat es gegeben, das stimmt. Aber Geheimwaffe? Keine Ahnung. Niemand hier im Verein ist so blauäugig zu denken: Wir haben ja noch den Ziege, dem geben wir jetzt mal einen wichtigen Posten.

Sondern?

Offensichtlich hat man mich beobachtet und für gut befunden, was ich bisher bei Borussia gemacht habe: egal ob als Trainer der U 17 oder zuvor als Kapitän, der nicht spielen konnte. Auch als ich verletzt war, habe ich alles versucht, damit wir in der Bundesliga bleiben. Das ist in der Mannschaft ganz gut angekommen.

Wiegt das Ihre mangelnde Erfahrung auf?

Mir ist es lieber, die Leute sagen, ich habe keine Erfahrung, als dass sie sagen, ich hätte keine Ahnung. Für mich war es als Spieler immer wichtig, dass ich mich mit dem Sportdirektor darüber unterhalten konnte, was im Fußball wichtig ist, dass er mich versteht, wenn ich Probleme habe. Ich glaube schon, dass es ein Vorteil ist, dass ich 72 Länderspiele bestritten habe, Europameister geworden bin und Vizeweltmeister. Es macht mich einfach glaubwürdiger. Das muss aber kein Automatismus sein. Ich kenne auch Fußballer, die bei Weltmeisterschaften gespielt haben und ihre Erfahrungen trotzdem nicht so rüberbringen können.

Reicht Ihre Erfahrung als Spieler?

Es ist ja nicht nur die Erfahrung. Ich glaube schon, dass ich einen gewissen Sachverstand habe, um zu erkennen: Wer kann uns weiterbringen? Wie ist die Situation in der Mannschaft? Was sollte man verändern? Was kann man nicht verändern? Wie soll die Mannschaft künftig aussehen? Wie soll sie geführt werden? Das sind alles Dinge, die ich für mich reklamieren kann. Vertragsverhandlungen habe ich selbst oft genug geführt, und ich glaube auch, dass ich Leute davon überzeugen kann, dass Borussia der richtige Verein für sie ist.

So wie bei Jos Luhukay und Oliver Neuville.

Ich habe die Arbeit von Jos Luhukay beobachtet: wie er das Training leitet, wie er mit den Spielern umgeht, wie er sich und die Mannschaft auf ein Spiel vorbereitet. Ich habe ihn auch als Menschen kennen gelernt. Nach all dem bin ich überzeugt, dass er der richtige Mann für uns ist. Dass Oliver Neuville bei uns verlängert hat, ist eine wahnsinnig positive Sache für den Verein. Es zeigt, dass wir alles tun, damit wir auch im nächsten Jahr eine gute Mannschaft haben.

Gab es Momente, in denen Sie sich überfordert gefühlt haben?

Überfordert nicht. Es ist einfach viel. Wir wollen den Abstieg verhindern und müssen gleichzeitig die Planung für die nächste Saison voranbringen, ohne zu wissen, in welcher Liga wir spielen. Eigentlich bist du immer im Job. Morgens verlasse ich um halb acht das Haus, und abends, wenn ich zurückkomme, geht noch dauernd das Telefon. Und das bei mir. Ich hasse telefonieren. Aber es ist schwierig, als Sportdirektor nicht zu telefonieren.

Gab es Leute, die Sie vor dem Job gewarnt haben?

Die, mit denen ich gesprochen habe und die sich auskennen, waren einhellig der Meinung, dass ich das schaffe.

Wer war das?

Ganz ehrlich? Ich wäre doch blöd, wenn ich jemanden wie Christian Hochstätter nicht um Rat fragen würde. Er hat mich als Spieler zu Borussia Mönchengladbach geholt und arbeitet schon seit einigen Jahren in diesem Job. Ob ich dann auch alles so mache, wie er es mir rät, ist wieder eine andere Frage. Auch Uli Hoeneß ist eine wichtige Bezugsperson für mich.

Sprechen Sie regelmäßig mit ihm?

Ich bin nach meinem Amtsantritt sogar schon zu ihm nach München gefahen. Es war ein wirklich gutes Gespräch. Er hat mir ein paar Dinge genannt, auf die ich achten sollte. Er kennt viele Leute. Und er kennt auch viele Leute, die andere Leute kennen.

Und zum Abschied hat er Ihnen dann gesagt: Ach, übrigens, Christian, wir wollen Marcell Jansen verpflichten.

Mir ist schon bewusst, dass Marcell Jansen für die Bayern interessant ist. Aber darüber haben wir nicht gesprochen

Die Bayern sollen jetzt offiziell ihr Interesse an Jansen bekundet haben.

Bei mir ist nichts eingegangen.

Sie wissen aber auch, dass Sie Spieler wie Jansen in der Zweiten Liga nicht halten können.

Grundsätzlich spreche ich ungern über diesen Fall, solange wir ihn noch verhindern können. Aber alle Verträge gelten auch für die Zweite Liga, und jeder Spieler hat seinen Vertrag mit eigenen Augen gelesen, er hat ihn selbst unterschrieben, niemand ist geprügelt oder gefoltert worden. Ich kann ja verstehen, wenn ein Spieler erstklassig bleiben will. Aber dann muss ich auch so clever sein, einen Vertrag zu unterschreiben, der nur für die Erste Liga gilt.

Muss der Verein beim Abstieg Spieler aus finanziellen Gründen verkaufen?

Nein. Im Lizenzverfahren für die Zweite Liga sind wir von unserem aktuellen Kader mit den bestehenden Verträgen ausgegangen.

Das heißt: Die Spieler können sich auf eine harte Welle einstellen?

Ich kann ja nicht 15 Spieler verkaufen und dafür 15 neue holen. Dann haben wir wieder genau die Fluktuation, über die sich jetzt alle beklagen. Meine Grundeinstellung ist: Wenn ich etwas unterschreibe, muss ich auch versuchen, das einzuhalten.

Wie war das bei Ihnen? Galten Ihre Verträge auch für die Zweite Liga?

Nein.

(Das Gespräch führte Stefan Hermanns.)

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