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Beliebt und erfolgreich: Die Volleyballerinnen des SC Potsdam gehören zur Spitze der Bundesliga.

© Osnapix/Imago

Gleichberechtigung im Sport: In Potsdam ist Volleyball Frauensache

In keiner anderen Sportart wird landesweit Gleichberechtigung so gelebt wie beim Volleyball. Die Frauen des SC Potsdam gehen voran. Eine Erfolgsgeschichte.

Wenn der SC Potsdam spielt, ist die Halle voll. Nun ist Volleyball nicht unbedingt die zuschauerträchtigste Sportart im Lande, das also ist schon erstaunlich – neben der Tatsache, dass die vielen Fans hier nicht männliche Protagonisten anhimmeln. Denn im populärsten Team von Potsdam spielen nur Frauen. „Wir freuen uns riesig über diese Anerkennung“, sagt Kapitänin Antonia Stautz. „Da kann man sehen, was Erfolg ausmacht.“

Dabei waren die Frauen schon mal vorn in Potsdam, allerdings im Fußball. Turbine war einst das leuchtende Aushängeschild der Stadt und des Bundeslandes, wurde sechsmal deutscher Meister, hatte knapp 2500 Zuschauerinnen und Zuschauer im Schnitt bei den Heimpartien.

Die Frauenliga im Volleyball hat mehr Hallengäste als die Männerliga

Seitdem jedoch die von Männer-Bundesligisten getragenen Teams wie VfL Wolfsburg und FC Bayern München den Potsdamerinnen den Rang abgelaufen haben, bloß noch Platzierungen zwischen drei und wie aktuell fünf herausspringen, schwindet aber die Gunst beim Publikum. Inzwischen kommen etwa 1100 Leute weniger als zu den besten Zeiten. Auch bei den momentan abstiegsbedrohten Regionalliga-Männerfußballern des SV Babelsberg 03 sind die Ränge nicht mehr so gut gefüllt wie früher.

Doch am Aufschwung des SC haben natürlich auch Männer mitgearbeitet: Toni Rieger und Eugen Benzel. Als der SC Potsdam 2009 in die Volleyball-Bundesliga der Frauen aufgestiegen war, mussten die beiden kräftig werkeln. „Aus Presspappen und Plexiglasscheiben haben wir eigene Werbebanden gebaut, um unsere Sponsoren bei den Spielen ordentlich präsentieren zu können“, erinnert sich Sportdirektor Rieger. „Das waren noch ganz andere Zeiten“, sagt Teammanager Benzel. „Unser Verein war damals ein Niemand im deutschen Frauenvolleyball.“

Heute, gut elf Jahre später, ist alles anders. Da gehört der SC Potsdam zur Spitze der Bundesliga. Und ist somit eine Erfolgsgeschichte des weiblichen Mannschaftssports, in dem Volleyball ohnehin sehr gut dasteht. Gemessen an den Zuschauerzahlen nimmt die Volleyball-Bundesliga der Frauen unter den Mannschaftssportarten in Deutschland eine Sonderstellung ein. In keiner anderer Sportart ist die Frauenliga stärker als die Männerliga. Die Frauen erreichen von allen Profiligen in Deutschland den höchsten Zuschauerschnitt, noch vor den Frauen im Fußball, Handball oder Basketball.

Alles auf Angriff: Die Potsdamer Volleyballerinnen (rote Trikots) wollen sich dauerhaft in der Spitze etablieren.
Alles auf Angriff: Die Potsdamer Volleyballerinnen (rote Trikots) wollen sich dauerhaft in der Spitze etablieren.

© Gerhard Pohl

Gerade in der jüngeren Vergangenheit erreichte der SC Potsdam einen Meilenstein nach dem anderen. Vergangene Saison gelang erstmalig der Einzug ins Play-off-Halbfinale der deutschen Meisterschaft, was der Mannschaft die Bronzemedaille einbrachte. Daraufhin wurden die Potsdamerinnen zu Brandenburgs Team des Jahres 2019 gekürt – zuvor hatte nur Turbine einen solchen Titel als Frauenmannschaft holen können.

Und in der aktuellen Spielzeit hat der Verein am Europapokal teilgenommen und sich den dritten Platz in der Bundesliga-Hauptrunde gesichert. Beides sind Premieren. „Wir als Team, die Trainer und Verantwortlichen harmonieren sehr gut miteinander. Weil alle an einem Strang ziehen, läuft es bei uns so gut“, sagt Antonia Stautz.

Ein wesentlicher Katalysator für die Entwicklung des Klubs war eine räumliche Veränderung. Als Abstiegskandidat schlugen die Potsdamerinnen in ihrer Erstliga-Anfangszeit noch in der Sporthalle Heinrich-Mann-Allee auf. Einer Stätte mit dem Charme des Maroden, einem nach Volleyball-Bundesliga-Reglement zu flachen Hallendach und massiven Pfeilern, die von etlichen Tribünenplätzen aus den Blick auf das Spielfeld einschränkten. Nur wenige Hundert Besucherinnen und Besucher passten da rein.

Der SC Potsdam setzt auf den Eventcharakter

Im Januar 2012 dann kam der Umzug in den Sportpark Luftschiffhafen, wo überwiegend aus Mitteln eines Konjunkturpakets eine 18,5 Millionen Euro teure Multifunktionsarena gebaut worden war. Sie bietet beim Volleyball Platz für rund 2000 Menschen – „und alles, was man für eine gute Veranstaltung braucht“, sagt Benzel. Modernste Licht- und Musikanlagen, Videoleinwand, VIP-Loge, und statt selbst gebauter Werbeaufsteller stehen LED-Banden um das Feld herum. Als Untergrund wird ein Spezialboden ausgelegt, der 25.000 Euro kostet und das Spielfeld ohne störende Linien anderer Sportarten besser sichtbar macht.

„Der Wechsel in diese Halle war der Beginn einer neuen Zeitrechnung für uns“, sagt Rieger. „Dadurch bekamen wir ganz andere Möglichkeiten. Wir wurden viel interessanter.“ Der Verein setzt auf den Eventcharakter. Zum Beispiel mit spektakulären Licht- und sogar Feuershows bei der Teamvorstellung. „Wenn die Leute zu uns in die Halle kommen, wollen wir nicht einfach nur ein Spiel bieten, sondern Entertainment“, sagt Benzel.

Das kommt gut an. Die Zuschauerzahlen steigen. In der aktuellen Liga-Hauptrunde stellt der SC Potsdam einen neuen Vereinsrekord auf. Annähernd 1200 Fans – und damit über 100 mehr als beim bisherigen Bestwert aus der Saison 2013/14 – kamen durchschnittlich zu den Heimspielen.

Bitte recht freundlich: Das Team des SC Potsdam.
Bitte recht freundlich: Das Team des SC Potsdam.

© Gerhard Pohl

Der Höhepunkt wurde am Samstagabend erreicht. Als der Tabellendritte den Spitzenreiter Schweriner SC empfing, war die Arena mit 2000 Zuschauerinnen und Zuschauern ausverkauft – zum dritten Mal bei einem Volleyballmatch. Die Kulisse trug den SCP zu einem rauschhaften 3:2-Sieg gegen den Europapokalhalbfinalisten. „Erfolg ist die Basis für Wachstum als Verein“, sagt SCP-Sportdirektor Toni Rieger. „Für den Erfolg haben wir über viele Jahre hinweg hart gearbeitet.“

Laura Emonts kann das bestätigen. Die 29-Jährige schmettert seit dieser Saison für den Potsdamer Klub. Wieder. Denn sie spielte dort bereits von 2009 bis 2012, damals noch unter ihrem Geburtsnamen Weihenmaier. Der SC Potsdam habe einen „kontinuierlichen Fortschritt“ geschafft, sagt die Außenangreiferin. Der Umgang miteinander sei weiterhin familiär, aber alles sei professioneller geworden. Die neue Arena biete „ein tolles Ambiente bei den Spielen – und beim Training haben wir alles komplex zusammen, müssen keine großen Wege bewältigen“.

Vor allem im Trainingsbetrieb und Coachingstab forcierte der Verein eine Professionalisierung. Aktuell ist der SCP so gut aufgestellt wie noch nie. Ioannis Paraschidis ist Athletiktrainer, Riccardo Boieri Assistenzcoach sowie Scout. Und Chef dieses Trios, das gemeinsam auch die griechische Frauen-Nationalmannschaft betreut, ist Guillermo Hernandez.

Der SC Potsdam gilt als „Paradebeispiel“

Seit Dezember 2018 steht er unter Vertrag. Von 2013 bis 2017 hatte er den MTV Stuttgart an die nationale Spitze geführt. Nun treibt er die Potsdamer Volleyballerinnen nach oben. Kapitänin Stautz sagt, dass dafür auch das Zusammenspiel mit den anderen beiden Coaches gesorgt habe. „Wir Spielerinnen merken, wie bei den drei blindes Vertrauen herrscht. So etwas färbt auch auf das Team ab“, erklärt die 26-Jährige, die wie viele ihrer Mitspielerinnen nebenbei studiert. Die Chemie zwischen Team und Trainern sei hervorragend.

Die Entwicklung des SC Potsdam wird auch auf höchster Ebene anerkennend wahrgenommen. Felix Koslowski, Trainer des deutschen Rekordmeisters aus Schwerin und zugleich Frauen-Nationalcoach, bezeichnet den SCP als „Paradebeispiel“ für die Förderung des Volleyballs in der Bundesrepublik. „Potsdam setzt ein Zeichen an die Bundesliga, dass man auch mit vielen deutschen Spielerinnen im Kader und auf dem Feld erfolgreich sein kann“, sagt Koslowski. Auch aus dem eigenen, an der Sportschule ausgebildeten Nachwuchs werden Talente bis in die Erste Liga geführt – wie die jetzt 20 Jahre alte Mittelblockerin Natalie Wilczek.

Die Verantwortlichen des SC Potsdam verfolgen jedenfalls große Pläne. Diese Saison soll als Hauptrundendritter mindestens wieder das Halbfinale in den am 21. März beginnenden Playoffs erreicht werden. Auch ist der Einzug ins Pokalfinale, das vor rund 11.000 Leuten in Mannheim ausgetragen wird, ein Traum. Zweimal war bisher in der Vorschlussrunde Endstation.

Sie hat es in der Hand: Antonia Stautz ist die Kapitänin des SC Potsdam.
Sie hat es in der Hand: Antonia Stautz ist die Kapitänin des SC Potsdam.

© Gerhard Pohl

Auf einen möglichen Europapokalstart hatte der Klub zuletzt aus wirtschaftlichen Gründen dreimal verzichtet. Diese Saison stimmten nun jedoch die Rahmenbedingungen. In der Auftaktrunde des CEV-Cups, dem zweithöchsten Vereinswettbewerb Europas, scheiterten die Potsdamerinnen dann nur knapp am früheren Champions-League-Sieger und Klub-Weltmeister Dinamo Kasan.

„Wir haben noch viel Potenzial und Luft nach oben“, findet Rieger. Trotz des Aufwärtstrends bei den eigenen Zuschauerzahlen seien diese aus seiner Sicht noch längst nicht ausreichend. Während beim Fußball und Handball der Besucherschnitt knapp unter der 1000er-Marke liegt, sehen sich diese Saison im Ligaschnitt rund 1400 Fans in der Halle an, wie gebaggert, gepritscht, geschmettert und geblockt wird.

Spitzenreiter in dieser Kategorie ist der Dresdner SC mit mehr als 2600 Besucherinnen und Besuchern gefolgt von Stuttgart und Schwerin (je fast 2000). Der SC Potsdam schafft es mit seinen rund 1200 Hallengästen als Achter gerade so in die Play-offs – an der Zuschauerzahl gemessen.

„Die Großen sind uns da noch weit voraus“, sagt Rieger. „Um diese Lücke zu verkleinern, müssen wir den Erfolg auf hohem Niveau halten.“ Aber das sei „alles eine Frage des Geldes“ – und somit in Potsdam ein Problem. Rund 180.000 Menschen leben jetzt dort. In die Havelstadt mit den vielen Schlössern und Gärten ziehen viele Prominente, bekannte Gesichter aus Politik und Medien. „Doch riesige Wirtschaftskraft haben wir hier nicht“, sagt der Sportdirektor des SC Potsdam. „Dafür aber umso mehr Spitzensport.“

Vor allem eben weiblichen – und das soll auch in Zukunft der Fall sein. „Ich hoffe, dass wir die Großen dauerhaft ärgern“, sagt Kapitänin Antonia Stautz. „Wir sind ja nicht nur da, um ein bisschen Volleyball zu spielen.“

Tobias Gutsche

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