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Sport: Gnade für einen Unverkaufbaren

Weil Wolfsburg keinen Abnehmer für Diego findet, darf der Brasilianer bleiben.

Viel bequemer hätte seine Rückkehr nicht ausfallen können. Sie legen für ihn das Trikot mit der Nummer 10 bereit. Er darf sich wieder als Spielgestalter und zentrale Figur versuchen. Und der ganze Ärger ist angeblich vergessen. „Diego soll bei uns den Takt vorgeben“, sagte Felix Magath, als er gestern im Auftrag des VfL Wolfsburg ein kleines Fußball-Wunder bekannt gab. Wochenlang war darüber spekuliert worden, wann der kleine Brasilianer für wie viele Millionen verkauft wird. Weil sich aber kein Abnehmer für Diego gefunden hat, wagt Magath einen neuen Anlauf mit seinem Sorgenkind. Der Brasilianer beherrscht die Rollen des Ballvirtuosen, Großverdieners und Egozentrikers gleichermaßen gut. Obwohl der 27-Jährige das Team des VfL Wolfsburg vor einem Jahr mitten im Abstiegskampf im Stich gelassen hat, findet er Magaths Gnade.

Was heute Abend (Anpfiff 20.30 Uhr), wenn der VfL Wolfsburg im heimischen Stadion zum Stadionfest und Testspiel gegen Manchester City bittet, besiegelt wird, ist eine ziemlich kuriose Zweckgemeinschaft. Als vor zwei Wochen das obligatorische Mannschaftsfoto des VfL Wolfsburg entstand, hatte sich Magath geweigert, Diego ein Trikot mit einer Rückennummer tragen zu lassen. Was ihm vor kurzem noch demonstrativ egal war, ist ab sofort wieder äußerst wichtig. Denn Diego soll seine frühere Mannschaft, die erheblich verändert und verstärkt worden ist, als zentrale Figur anführen. „Ich bitte die Fans, dass sie ihm auch eine zweite Chance geben“, sagt Magath und baut einem Mann eine Brücke, die er brauchen wird. Die eigene Mannschaft im Stich zu lassen und Arbeitsplätze aufs Spiel zu setzen, nur weil man in der entscheidenden Partie bei der TSG Hoffenheim nicht von Anfang an aufgestellt wird – ein solches Verhalten gilt von einer Bundesliga-Elf bis zur untersten Kreisklassen-Mannschaft als kapitales Vergehen. „Vielleicht können die Fans die Situation verstehen. Ich habe einen Fehler gemacht und daraus gelernt“, versichert Diego, der sich bei Trainer und Mannschaft entschuldigt haben soll.

Die Begnadigung von Diego dürfte auch seinen letzten Versuch einläuten, in der Bundesliga noch einmal Fuß zu fassen. Seit seinem Wechsel vor drei Jahren von Werder Bremen zu Juventus Turin ist sein Marktwert von fast 30 Millionen Euro auf nur noch 10 Millionen Euro gesunken. Die guten Momente in der vergangenen Saison, in der Diego vom VfL Wolfsburg an den starken Europa-League-Sieger Atletico Madrid ausgeliehen war, haben nicht ausgereicht, um Käufer von seinen Qualitäten zu überzeugen. Bis 2014 soll der Dribbelkünstler ein Jahresgehalt von mehr als fünf Millionen Euro beziehen.

Drei Wochen bleiben Magath noch, um sein neues Spielsystem an seinem neuen Spielgestalter auszurichten. Der VfL-Boss bescheinigt Diego erhebliche konditionelle Defizite und hat ihm in den vergangenen Tagen ein gesondertes Lauftraining verordnet.

Der Burgfrieden im Dienste des VfL Wolfsburg und dessen Geldgeber Volkswagen ist aus Sicht von Magath ein ebenso kluger wie gewagter Schachzug. Erstmals seit dem Titelgewinn 2009 hat der Verein sein Team nicht nur erheblich verstärkt, sondern auch sehr früh zusammengestellt. Magath bescheinigt Diego, dass dieser nicht nur eine gute Rolle in der Bundesliga, sondern auch international spielen kann. „Wir wollen nach vorne. Da ist ein Spieler von solcher Qualität kein Fehler“, sagt der Wolfsburger Trainer, Manager und Geschäftsführer. Das Milde in seinen Worten ist verblüffend. „Man darf nicht immer nur auf Fehler gucken und Schuldige suchen“, findet Magath, der in diesen Tagen außerordentlich entspannt wirkt. Noch. Denn ob Diego als Kapitalanlage oder Kapitalausfall zu verbuchen ist, wird in dieser Saison eine der spannendsten Fragen beim VfL Wolfsburg sein.

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