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Sport: Götz im Fokus

Ein Interview bringt den Trainer von Hertha BSC intern weiter in Bedrängnis

Berlin - Ungesunde Ernährung kommt in den besten Familien vor. Bei Kevin- Prince Boateng wog der Döner Kebab jedoch besonders schwer, den er gestern in den Händen trug. Nicht nur, weil das vorletzte Training des Fußball-Bundesligisten Hertha BSC vor dem wichtigen Spiel gegen Energie Cottbus unmittelbar bevorstand. Sein ganzer Auftritt wirkte wie eine Provokation gegen den Trainer Falko Götz: Mit den Teamkollegen Christian Müller und Ashkan Dejagah fuhr er gerade noch rechtzeitig vor und schlurfte in HipHop-Kleidung, mit tief heruntergezogenem Baseballcap und Döner in der Hand in die Mannschaftskabine. Wortlos wie sein Bruder Jerome, der zehn Minuten später und als Allerletzter kam.

Der Trainer hatte dem Magazin „Focus“ ein Interview gegeben, das den jungen Spielern offensichtlich nicht gefallen hatte. Auf die Frage nach der Jugendarbeit des Klubs erzählte Götz, dass er auch schon mal bei Boatengs zu Hause gewesen sei. „Er hat viele Geschwister, alle von anderen Vätern. Aber das ist kein Makel. Berlin ist eben multikulturell“, hatte der Trainer gesagt.

Götz gab gestern eine Stellungnahme ab: „Ich wollte in keiner Weise die Familie Boateng diskreditieren und in die Privatsphäre eindringen“, sagte er. Er bestritt nicht, die Aussage gemacht zu haben, sie sei aber in einer Reihe „guter Fragen und Antworten“ gefallen und stehe nun isoliert in der Zeitschrift. Ihm sei es darum gegangen, einen jungen Spieler zu benennen, der aus einem Problemkiez den Weg zu Hertha gefunden habe. Neben der sportlichen Ausbildung gebe Hertha diesen Spielern auch eine „Persönlichkeitsausbildung“.

Dennoch bleibt die Aussage widersprüchlich, denn wer multikulturell ist, muss noch lange nicht polygam sein. Zum anderen ist sie falsch: Schließlich eint die Geschwister Boateng nicht die gemeinsame Mutter, sondern der Vater. Auch wenn niemand Götz eine böse Absicht hinter der Aussage unterstellt – sie kommt denkbar ungelegen. Denn nach sechs sieglosen Spielen in Bundesliga und Pokal ist der Trainer ohnehin unter Druck geraten. „Ich bin als Cheftrainer im größten Fokus, ich muss mich der Sache stellen“, sagte er gestern.

Nun dürfte auch der Druck aus der Mannschaft auf den Trainer wachsen. Bislang schmückte sich Götz gerne mit den jungen Spielern. Er bezeichnete sich zuletzt als den „mutigsten Trainer der Liga“, weil er Spieler wie Patrick Ebert, Dejagah und die beiden Boatengs früh in die Startelf gebracht hatte. Dabei hat Dejagah seinen Wechsel zum VfL Wolfsburg mit einer besseren Perspektive dort begründet. Und Ebert monierte, dass er sich – ohne große Erklärung – nach ein paar schwachen Spielen im Regionalligateam wiederfand. Zumindest im Training schien die Geschlossenheit zuletzt zurückzukehren. Götz führte viele Einzelgespräche.

Der Exzentriker Kevin-Prince Boateng könnte die Atmosphäre leicht vergiften. Der 20-Jährige ist mit Dejagah und Ebert befreundet. Zu dem Interview wollte er wie sein Bruder nichts sagen. Und auch sportlich droht Zwist, wenn Boateng nach seiner Knieverletzung nicht von Beginn an spielen darf. Sein Bruder Jerome wird in jedem Fall spielen, auch wenn Malik Fathi seine Gelbsperre abgesessen hat, als Ersatz für den verletzten Arne Friedrich.

Götz wartete gestern lange vor der Kabine. Wenn er die öffentliche Versöhnung suchte, war er erfolglos. Eine halbe Stunde vor dem Training ging er hinein – da wird Kevin-Prince Boateng wohl noch in der Dönerbude gewesen sein.

Stefan Tillmann

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