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Sport: Gold liegt in der Luft

Deutschland besiegt dank Torhüter Fritz den Weltmeister Frankreich und trifft heute im WM-Finale auf Kroatien

Lissabon . Bereits vor 2500 Jahren schrieb der chinesische Denker Sun Tsu in seinem Standardwerk über die Kunst des Krieges, dass „der gute Krieger die Wirksamkeit in der Schlacht im Zusammenspiel der Kräfte sucht und nicht im einzelnen Individuum“. Die deutsche Handballnationalmannschaft schien diese Maxime, die auch auf sportliche Auseinandersetzungen anwendbar ist, am Sonntagnachmittag im Pavilhao Atlantico von Lissabon verinnerlicht zu haben. Keiner der deutschen Feldspieler stach sonderlich heraus aus der Mannschaft, die mit bewundernswertem Kampfgeist den Titelverteidiger Frankreich mit 23:22 (11:10) schlug und damit ins Finale der Weltmeisterschaft einzog. Dort haben es die Deutschen heute (18 Uhr, live im WDR) mit Kroatien zu tun, das im anderen Halbfinalspiel Spanien nach zweimaliger Verlängerung 39:37 bezwang.

Die Atmosphäre in der eigens für die Weltausstellung 1998 gebauten Halle konnte erstmals bei einem Spiel der deutschen Mannschaft als einer Weltmeisterschaft würdig bezeichnet werden. Rund 8000 Zuschauer füllten den Pavilhao, darunter etwa 500 deutsche Schlachtenbummler.

Die Franzosen boten ihre gewohnte 3:2:1-Formation auf, mit Jackson Richardson als vorderstem Angreifer. Richardson störte von Anfang an geschickt das Passspiel der deutschen Mannschaft, die unkonzentriert ins Spiel ging. Die Folge: Die deutschen Rückraumspieler vergaben nicht nur mehrere Tormöglichkeiten, sondern warfen auch bei einfachen Anspielen wiederholt am Mitspieler vorbei ins Seitenaus. Es war den guten Paraden von Torhüter Henning Fritz zu verdanken, dass Frankreich lediglich mit 3:1 in Führung ging. „Der Henning war einfach super“, schwärmte Kreisläufer Christian Schwarzer später.

Beim Stande von 4:4 glichen die Deutschen erstmals aus. Als sie beim 11:7 gar einen Vier-Tore-Vorsprung hatten, erhoben sich die deutschen Fans und feuerten ihr Team an. Bis zur Halbzeit schrumpfte der Vorsprung allerdings auf ein Tor. „Wenn es gegen so einen Gegner um alles geht, kann das mal passieren“, sagte Rechtsaußen Florian Kehrmann zu der schwachen Phase der Deutschen, die auch nach dem Seitenwechsel wieder so nervös waren wie in den ersten Minuten und diverse Tormöglichkeiten vergaben.

Stefan Kretzschmar (Fingerbruch) und Volker Zerbe (Oberschenkelzerrung) mussten zeitweilig ausscheiden, Zerbe kam dann gar nicht mehr zurück. „Da bin ich dann schon nachdenklich geworden“, sagte Brand über diese Phase des Spiels, in der „wir Probleme damit hatten, überhaupt noch Tore zu werfen“. Die Franzosen zogen mit vier Toren davon, „Allez les bleus“-Rufe schallten durch die Halle. Höchste Zeit für eine Auszeit, dachte sich Trainer Brand. „Es war ein richtiger Fight, da musste ich den Jungs wieder ein bisschen Ruhe verschaffen“, sagte der Bundestrainer zu dieser höchst notwendigen Maßnahme. Sie wirkte, die Deutschen kehrten ins Spiel zurück.

Innerhalb von drei Minuten machte das deutsche Team aus dem 12:16 ein 16:16. Der gewöhnlich zurückhaltende Brand sprach anschließend von einer „sensationellen Wende“, die seine Mannschaft geschafft habe. Das Spiel war jedoch weiter offen, blieb spannend bis zum Schluss. Am Ende hatte sich der EM-Zweite hauchdünn gegen den Weltmeister durchgesetzt.

Dass Henning Fritz, der Torhüter vom THW Kiel, besonderen Anteil am Finaleinzug hatte, stand außer Frage. „Das war Weltklasse“, lobten Mitspieler Markus Baur und Gegenspieler Joel Abati. Der 28-Jährige wollte indes solche „ehrenvollen Bezeichnungen nicht beanspruchen“, fühlte sich lediglich „heute obenauf“. Der junge Christian Zeitz dachte nach dem Schlusspfiff schon an das nächste Spiel. „Letztmals war Deutschland 1978 Weltmeister, und jetzt ist 2003, klar?“, sagte der 22-Jährige. Allerdings fällt Kretzschmar mit seinem Fingerbruch im Finale definitiv aus. Er muss nach der WM operiert werden.

Martin E. Hiller

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