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Nia Künzer (l.) beschert Deutschland 2003 mit ihrem Golden Goal gegen Schweden den ersten WM-Titel.

© AFP

Goldene Momente: Ein Rückblick auf 20 Jahre Frauen-WM

1991 fand die erste Frauenfußball-WM in China statt. Zunächst dominierten die USA und Norwegen bei den Turnieren – bis 2003 Nia Künzer die deutschen Frauen zum Titel schoss. Eine Rückschau.

Die Geschichte der Frauenfußball-Weltmeisterschaften ist kurz. Das Turnier 2011 ist gerade einmal das sechste. Und mit Deutschland gibt es erst den vierten Ausrichter. Seit der Premiere in China hat sich auf und außerhalb des Platzes einiges getan. 1991 dauerte ein Spiel der Frauen noch 80 Minuten, inzwischen sind die Regeln mit denen bei den Männern identisch. Und auch das weltweite Interesse nimmt stetig zu. Ein Rückblick auf 20 Jahre Frauenfußball-WM.

1991 IN CHINA: Bei der ersten offiziellen Weltmeisterschaft der Frauen traut der Weltverband Fifa den Spielerinnen noch nicht allzu viel zu. Die Spiele finden im November statt, also mitten in der Fußball-Saison. Beim Turnier in der chinesischen Provinz Guangdong treten zwölf Mannschaften an, die Spielzeit beträgt nur 80 Minuten. Das hindert das amerikanische Team nicht daran, in sechs Spielen 25 Treffer zu erzielen. 20 dieser Tore erzielen die drei Angreiferinnen Michelle Akers, Carin Jennings und April Heinrichs, was ihnen in den chinesischen Medien den Titel „Das Schwert mit den drei Klingen“ einbringt. Die spätere Torschützenkönigin Akers stellt im Viertelfinale mit fünf Toren gegen Taiwan einen WM-Rekord auf, der bis heute Bestand hat. Auch im Halbfinale gegen Deutschland trifft die Frau mit dem Wuschelkopf zweimal. Die DFB-Auswahl verliert mit 2:5, im Spiel um Platz drei unterliegt das deutsche Team von Trainer Gero Bisanz 0:4 gegen Schweden. Im Endspiel gegen Norwegen müssen die Amerikanerinnen erstmals zittern, ehe Akers die USA zwei Minuten vor dem Schlusspfiff – also in der 78. Minute – mit ihrem zehnten Turniertreffer zum ersten WM-Titel schießt. Die Fifa wertet das zuvor kritisch beäugte Turnier als Erfolg, zu den Spielen strömen rund eine halbe Million Zuschauer.

1995 IN SCHWEDEN: Bei der zweiten Auflage der Weltmeisterschaft gesteht die Fifa den Frauen die vollen 90 Minuten ihrer männlichen Kollegen zu. Pro Halbzeit und Team ist dafür eine zweiminütige Auszeit möglich, um den Spielerinnen eine Pause zu gönnen. Da die meisten Trainerinnen und Trainer auf die Timeouts verzichteten, wird die Auszeit-Regel nach dem Turnier wieder abgeschafft. Die schwedischen Organisatoren haben sich für vier kleine Spielorte sowie das große Rasundastadion in Stockholm entschieden. Der Zuschauerzuspruch ist übersichtlich: Das Finale wollen zwar 17.000 Menschen sehen, dem Vorrundenspiel zwischen Nigeria und Kanada, einem packenden 3:3, wohnen gerade einmal 350 Zuschauer bei. Michelle Akers verletzt sich gleich im ersten Spiel und fällt für den Rest der WM aus, dafür wird ihre amerikanische Mitspielerin Mia Hamm zum ersten Star des Frauenfußballs. Die Angreiferin macht sogar als Torhüterin eine gute Figur: Als die amerikanische Keeperin Briana Scurry im Gruppenspiel gegen Dänemark vom Platz gestellt wird, zieht sich Hamm die Handschuhe an und bringt den 2:0-Sieg souverän über die Zeit. Im Halbfinale allerdings scheitert der Titelverteidiger mit 0:1 an Norwegen, Deutschland bezwingt China mit 1:0. Im Endspiel verliert die deutsche Mannschaft um Kapitänin Silvia Neid gegen Norwegen mit 0:2, auch eine 18 Jahre alte Stürmerin namens Birgit Prinz kann an der Niederlage nichts ändern.

Die Amerikanerin Brandi Chastain feiert 1999 den Sieg über China.
Die Amerikanerin Brandi Chastain feiert 1999 den Sieg über China.

© AFP

1999 IN DEN USA: Die dritte Weltmeisterschaft kann guten Gewissens als die Geburtsstunde des modernen Frauenfußballs bezeichnet werden. Erstmals treten 16 Mannschaften an – und das in riesigen Stadien. Die WM findet hauptsächlich in Arenen statt, die schon bei der Männer-WM 1994 eingesetzt wurden und in denen sonst American Football gespielt wird. 1,2 Millionen Tickets werden verkauft – rund das Zehnfache der Zuschauer im Vergleich zum Turnier in Schweden vier Jahre zuvor. Die Spielorte sind über das ganze Land verteilt, von Boston bis San Francisco. Auch das Endspiel im Rose Bowl in Pasadena ist selbstverständlich ausverkauft, die Zuschauerzahl von 90.185 ist bis heute Weltrekord für ein Frauenfußballspiel. Brasilien übersteht erstmals die Vorrunde, die deutsche Mannschaft unter Trainerin Tina Theune-Meyer tut sich zunächst schwer, wird nur Gruppenzweiter – und trifft dadurch auf Gastgeber und Topfavorit USA. Die deutschen Frauen gehen zweimal in Führung, verlieren am Ende aber mit 2:3, das Aus im Viertelfinale ist das schlechteste Abschneiden einer deutschen Frauen-Nationalmannschaft bei einer WM. Das Endspiel ist ein zähes Ringen zwischen den starken Chinesinnen und den USA, nach regulärer Spielzeit und Verlängerung steht es immer noch 0:0. Im Elfmeterschießen trifft Brandi Chastain den entscheidenden Elfmeter, fällt auf die Knie und reißt sich das Trikot vom Körper. Das Foto der 30-Jährigen im Sport-BH ziert kurz darauf die Titelseiten von „Time“, „Newsweek“ und „Sports Illustrated“. Die amerikanischen Spielerinnen werden in ihrer Heimat zu Stars, eine Profiliga wird aus dem Boden gestampft, die allerdings wenig später aus finanziellen Gründen eingeht. Chastain schreibt später ein Buch mit dem Titel „It’s Not About the Bra“ („Es geht nicht um den BH“).

2003 IN DEN USA: Vier Jahre später soll das Turnier erneut in China stattfinden, wegen der Sars-Epidemie in Asien muss die vierte Weltmeisterschaft aber kurzfristig verlegt werden. Die USA springen ein, entscheiden sich aber diesmal für deutlich kleinere Stadien. Es wird ein Turnier der Überraschungen, eine Zeitenwende bahnt sich an, das Feld wird ausgeglichener. Die traditionelle Frauenfußball-Großmacht Norwegen verliert in der Vorrunde 1:4 gegen Brasilien, die zuvor immer sehr starken Chinesinnen scheiden im Viertelfinale mit 0:1 gegen Newcomer Kanada aus. Die größte Sensation gelingt aber der deutschen Mannschaft: Im Halbfinale gegen die USA bringt Kerstin Garefrekes Deutschland früh in Führung, kurz vor dem Abpfiff nutzen Birgit Prinz und Maren Meinert zwei Konter zum eindrucksvollen 3:0-Endstand. Die Gastgeberinnen sind ausgeschieden, dabei hatte das amerikanische Publikum die Titelverteidigung fast schon als selbstverständlich angesehen. Im ausgeglichenen Finale im kalifornischen Carson trifft Nia Künzer gegen Schweden per Kopf zum Golden Goal für die Mannschaft von Tina Theune-Meyer, Deutschland ist erstmals Weltmeister der Frauen. Birgit Prinz wird mit sieben Treffern Torschützenkönigin des Turniers und auch zur besten Spielerin der Weltmeisterschaft gewählt, einige Monate später folgt ihre erste von drei Ehrungen zur „Weltfußballerin des Jahres“. Für Aufsehen sorgt aber auch eine 17 Jahre alte Brasilianerin namens Marta, die ihre Mannschaft immerhin ins Viertelfinale führt. „Ihr Spiel ist wegweisend“, sagt der chinesische Nationaltrainer Ma Liangxing über sie.

Nadine Angerer sichert 2007 durch den gehaltenen Elfmeter im Endspiel gegen Brasiliens Marta den zweiten deutschen WM-Sieg.
Nadine Angerer sichert 2007 durch den gehaltenen Elfmeter im Endspiel gegen Brasiliens Marta den zweiten deutschen WM-Sieg.

© ddp

2007 IN CHINA: Sars ist im Jahr 2007 Geschichte, China darf mit vier Jahren Verspätung erneut eine WM ausrichten. Vizeweltmeister Schweden scheidet schon in der Vorrunde hinter den USA und Nordkorea aus, Deutschland startet mit einem 11:0 gegen Argentinien ins Turnier, dem höchsten Sieg der WM-Geschichte. Auch die Brasilianerinnen glänzen: In der Vorrunde besiegt die Mannschaft um Marta, die inzwischen als beste Spielerin der Welt gilt, die Chinesinnen mit 4:0. Kurz darauf verabschiedet sich Gastgeber China durch ein 0:1 gegen Norwegen aus dem Turnier und aus der Weltspitze. Die Amerikanerinnen hingegen wirken gewohnt stark, lange scheint ein dritter Titel für die USA möglich. 51 Spiele lang hat die amerikanische Mannschaft nicht verloren, ehe sie im Halbfinale auf Brasilien trifft – und mit 0:4 gedemütigt wird. Die deutschen Frauen, die erstmals bei einer WM von Theune-Meyers ehemaliger Assistentin Silvia Neid betreut werden, haben ihren großen Rückhalt in Nadine Angerer, die nach zwei Weltmeisterschaften auf der Bank die vor dem Turnier verletzte Stammtorhüterin Silke Rottenberg verdrängt hat. Angerer bleibt im ganzen Turnier ohne Gegentreffer und hält im Finale einen Elfmeter von Marta, Deutschland verteidigt durch das 2:0 gegen Brasilien den WM-Titel. Birgit Prinz stellt einen weiteren ihrer vielen Rekorde auf: Das Endspiel in Schanghai ist ihr drittes WM-Finale. Nicht nur für die deutschen Frauen ist die fünfte Weltmeisterschaft ein großer Erfolg: Die Zuschauerzahlen reichen beinahe an die von 1999 heran, erstmals wird eine Frauen-WM fast auf der ganzen Welt im Fernsehen übertragen, im Schnitt verfolgen 8,6 Millionen Fernsehzuschauer die Spiele.

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