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Alles grün – und blau. Die Italienerin Giulia Sergas schlägt den Ball auf dem Olympia-Golfplatz.

© REUTERS

Golf bei Olympia in Rio: Manikürter Rasen statt Naturschutzgebiet

An diesem Mittwoch beginnen die Frauen den olympischen Golfwettbewerb. Doch auf dem Platz in dem entwidmeten Naturreservat wird ein empfindlicher Punkt dieser Spiele deutlich.

Sollte alles ein bisschen hübscher werden. Aber der Rasen ist nicht rechtzeitig ausgesät worden, vorn am provisorischen Biergarten, wo die Plastiktische und -stühle jetzt auf schwarzem Schotter drapiert sind. Auch die drei Wohntürme haben es nicht mehr zu den Spielen geschafft. Netze flattern vor den Rohbauten, aber es reicht immerhin für eine Terrasse in luftiger Höhe, darauf stehen Tische und Stühle, und alles zusammen ergibt eine exklusive Tribüne mit perfektem Blick auf das Grün am 18. Loch.

Um die drei Wohntürme hat es einigen Streit gegeben, sie gehören da eigentlich nicht hin, wie ja auch der Golfplatz eigentlich nicht hingehört, in das Naturreservat Marapendi. Ohne den Platz hätte es auch die Häuser nicht gegeben, und die öffentliche Debatte darüber überschattet das olympische Comeback der Golfer nach 112-jähriger Abwesenheit.

Es gibt einige Kritik an Rio. An den vielen Sportstätten, die später keiner mehr braucht, am olympischen Dorf mit seiner Hochhausästhetik oder an den organisatorischen Pannen, über die Brasilianer souverän hinweglächeln. Der Golfplatz im Naturschutzgebiet aber trifft die Spiele an einem empfindlichen Punkt. Olympia in Brasilien soll nachhaltig sein, das macht sich schön im Portfolio. Und in diesem Sinne wurden die Athleten bei der Eröffnungsfeier zu Paten für einen neuen Regenwald stilisiert, mit Baumsamen und salbungsvollen Worten.

Julius Brink, der Beachvolleyball-Olympiasieger von 2012, hält das für eine verlogene Kampagne. Brink arbeitet in Rio als Experte für die ARD, und via Facebook wunderte er sich gerade über parkende Busse am Pressezentrum, bei denen stundenlang der Motor läuft, damit die Klimaanlage weiter ihren Dienst verrichten kann. Brinks Klage über eine „brutale Verschwendung von Ressourcen“ hat in der Öffentlichkeit einige Aufmerksamkeit erregt, aber keine Reaktion beim IOC. Und über Marapendi redet dort ohnehin keiner.

Das Reserva da Marapendi liegt am Rand des wohlhabenden Stadtteils Barra da Tijuca, dem olympischen Kerngebiet. 1991 wurde es zum Naturschutzgebiet erklärt und war bis vor Kurzem noch Refugium für Kaimane, Gürteltiere und Wasserschweine. Wenige nur haben verstanden, warum hier der olympische Golfplatz hineinplaniert werden musste, denn Rio verfügt über zwei ausgedehnte Anlagen. Der Gavea Golf e Country Club in Sao Conrado etwa ist ein Paradies in den Bergen, aber wohl nicht nah genug dran am Olympiazentrum. Und damit nicht geeignet für Immobiliengeschäfte.

Die olympische Golfanlage mag ein ökologisches Desaster sein, den Hauptdarstellern gefällt sie

Barra ist die Boomtown in Rio, die Erweiterung der Stadt nach Süden, woanders ist kein Platz mehr für die Besserverdienenden. Die Brache unter Naturschutz wurde auf Betreiben des umtriebigen Bürgermeisters Eduardo Paes und mit ausdrücklichem Verweis auf Olympia in einen Golfplatz umgewandelt. „Für Olympische Spiele muss eben auch gebaut werden“, sagt Paes. Nicht so gern redet er darüber, dass die Immobilie Pasquale Mauro gehört, einem Tycoon, dem ohnehin halb Barra zueigen ist. Die Übereinkunft mit der Stadt Rio über die Umwidmung des Naturschutzgebietes ermöglicht ihm den Bau von 22 Hochhäusern mit Luxuswohnungen in unmittelbarer Nachbarschaft des Golfplatzes. Drei davon stehen im Rohbau am Grün des 18. Lochs, und man darf davon ausgehen, dass so ein Apartment nicht schwer an Wert verliert, wenn es direkt neben einem Golfplatz liegt. Pech für die Kaimane, Gürteltiere und Wasserschweine.

Olympia fühlt sich seltsam an in diesem entwidmeten Naturschutzgebiet. Der Biergarten am Eingang verliert sich im schwarzen Schotter, dahinter folgt ein Disneyland mit Minigolf für den unkundigen Gast, die Bahnen sind mit Kunstrasen und Minibäumchen ausgestattet. Im Hintergrund erheben sich die Kräne über den nicht fertiggestellten Hochhäusern, wie überhaupt die gewöhnungsbedürftigen Wohngebirge von überall zu sehen sind.

Das verträgt sich nicht ganz mit der Idylle zwischen den Bergen und dem Meer, mindert aber nur bedingt das Wohlempfinden beim Anblick der grünen Hügellandschaft. Vielleicht stutzen die brasilianischen Greenkeeper die Fairways und Greens mit Nagelscheren, so winzig recken sich die Grashalme dem immerblauen Himmel entgegen. Die olympische Golfanlage mag ein ökologisches Desaster sein, den Hauptdarstellern gefällt sie. „Der Platz ist großartig“, sagt der US-Amerikaner Bubba Watson, „wahrscheinlich der beste, auf dem ich in diesem Jahr gespielt habe.“ Und das ist schon ein Kompliment von Gewicht.

Watson ist einer der großen Stars der Profitour und einer der bestbezahlten Sportler, die sich auf den Weg nach Rio gemacht haben. Er erfreut sich großer Popularität in Rio, sein Flight war der beliebteste, also die von den meisten Zuschauern verfolgte Gruppe. Hunderte Schaulustige begleiteten ihn auf den Fairways und zertrampeln die frisch manikürten Halme. Es ist kein typisches Golfpublikum, und als beim Abschlag wieder mal einer aufdringlich fotografiert, weist Watson ihn milde lächelnd zurecht: „No cameras, please!“ Gegen das Rattern der unvermeidlichen Hubschrauber aber ist auch seine Autorität machtlos.

Für Watson reicht es trotz einer grandiosen Schlussrunde nur zu Platz vier, am Ende liegt er sechs Schläge hinter dem britischen Olympiasieger Justin Rose. Vom Mittwoch an ziehen die Frauen mit ihren Caddies über den Kurs von Marapendi. Es wird wieder ein bisschen ruhiger zugehen und der grüne Teppich nicht mehr von ganz so vielen Zuschauern zertrampelt werden. Ein bisschen von der ursprünglichen Vegetation ist übrig geblieben, verstrüppte Inseln im olympischen Grün. Hier steht ein Kaktus, dort eine kleine Palme, die in ein paar Jahren mal Schatten spenden soll, wenn Olympia längst Geschichte ist wie die Präsenz der Kaimane, Gürteltiere und Wasserschweine. Auf der siebten Bahn ist eine dieser Inseln mit einem Zaun abgesperrt, davor gebietet ein leuchtend grünes Schild: „Bitte nicht betreten! Schützen Sie die Natur!“

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