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Golf: Profihafter Amateur

Der Nordire Rory McIlroy überrascht die Golfelite bei den British Open

Das Märchen vom golfspielenden Amateur wird jedes Jahr neu aufgelegt bei den British Open. In diesem Jahr fanden im Feld von 156 Spielern sechs Amateure Platz, die vier Tage lang versuchten, das große Wunder zu vollbringen und die Trophäe Claret Jug zu holen. Um ehrlich zu sein: Kein Mensch glaubt, dass heutzutage noch ein solcher Sieg, wie er zuletzt 1930 Bobby Jones gelang, möglich ist. Der eklatante Leistungsunterschied zwischen Profis und Amateuren wurde auch in Carnoustie durch das rasche Ausscheiden von fünf Amateuren nach dem Cut bestätigt.

Geblieben ist am Ende einer, dem man am Sonntagabend die Silbermedaille für den besten Amateur verliehen hat. Rory McIlroy heißt der junge Mann mit den braunen Locken, der in diesem Jahr die Rolle des neuen Wunderknaben übernommen hat. Beifallsstürme und laute Anfeuerungsrufe begleiteten den 18-Jährigen von der ersten Runde an. „Die Unterstützung ist wirklich fantastisch“, sagte er nach den ersten zwei Runden. „Jedes Mal, wenn ich einen guten Schlag mache, ernte ich riesigen Jubel.“

Der Teenager im braunen Shetland-Sweater und karierter Hose mag zwar seine erste British Open spielen und optisch wie der Junge von nebenan erscheinen, im Umgang mit Medien aber ist er längst ein Profi. „An die Presse habe ich mich in den letzten Jahren schon gewöhnt“, sagt er. „Ich gebe seit meinem siebten Lebensjahr Interviews, da bin ich inzwischen ziemlich gut.“

In Irland wird der Junge aus Holywood in der Nähe von Belfast seit Jahren als die nordirische Antwort auf Tiger Woods gefeiert. Schon in frühester Kindheit schlug er den Ball über 30 Meter weit. Sein erstes Hole-in-One gelang ihm bei der Weltmeisterschaft der unter Zehnjährigen in Florida, die er bei dieser Gelegenheit auch gleich gewann. Mit 15 bestritt er sein erstes Profiturnier, die British Masters; ein Jahr später stellte er mit einer 61er Runde den Platzrekord von Royal Portrush ein, wo 1951 die British Open stattfand. Zur diesjährigen British Open ist er als amtierender Europameister mit Handicap +6 angereist. 15 Profiturniere hat er inzwischen bestritten, allein fünfmal schaffte er den Cut. Im September wird er in Royal County Down sein letztes Match als Amateur im Walker Cup spielen, anschließend sofort ins Profilager wechseln.

Furchtlos ist er die vier Tage in Carnoustie angegangen, hat mit einer 68 am ersten Tag die Spielpartner Miguel Angel Jimenez und Henrik Stenson ausgestochen und am Ende mit +5 über Par einen guten Mittelplatz belegt (das Turnier war bei Redaktionsschluss dieser Ausgabe nicht beendet). Erinnerungen an Justin Rose und Sergio Garcia werden wach, die 1998 die British Open in Birkdale als Amateure bestritten. Garcia kam bis auf Rang 28, Rose hatte als Vierter ernsthaft Chancen auf den Sieg. Auch Tiger Woods und José Maria Olazabal konnten einst als beste Amateure überzeugen.

Die vier Namen aber stehen für die Minderheit jener, die anschließend auch im Profilager überzeugte. Der Schwede Niclas Fasth sagte: „Er hat sicherlich auch das Potenzial, aber da draußen gibt es reichlich Leute wie ihn.“

Einmal angekommen im Lager der Profis sind schnelle Erfolge wie sie Garcia oder Woods gelangen, nicht die Regel. Justin Rose jedenfalls verpasste 21 Cuts in Folge und musste dreimal in die Qualifying School, bevor er schließlich 2002 sein erstes Turnier gewann. In Carnoustie mochte McIlroy an den harten Profialltag noch nicht denken. „Ich sauge nur alles auf und genieße es“, sagte er. Das Märchen hält an – zumindest bis Ende September.

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