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Marcel Ohorn und sein Trainer Gregor Tilch

© Mike Wolff

Berlins bester Golfer: Marcel Ohorn auf dem Sprung zum Profi

Der 17-jährige Berliner Marcel Ohorn will Profi werden. Dafür trainiert er intensiv mit seinem Mentor Gregor Tilch bis zu zehn Stunden am Tag.

Was es bedeutet, Golfprofi zu werden, das hat Marcel Ohorn im australischen Sommer schon einmal zu spüren bekommen. Beim Amateur Masters im renommierten Royal Melbourne Golfclub im Januar pfiff der Wind so stark, dass Ohorn mit seinem Schlagrepertoire erstmals heillos verloren war. Jeden Ball, den der Linkshänder mit seiner lehrbuchmäßigen Technik abfeuerte, riss der Sturm in ungeliebte Richtungen. „Wenn plötzlich kein normaler Schlag mehr funktioniert, braucht man viel Fantasie“, weiß der 17-jährige Berliner mittlerweile. Noch schlimmer sei es am zweiten Turniertag gewesen, als der starke Wind nicht mehr vom Meer, sondern aus der Wüste kam und die Temperatur von 15 auf knapp 40 Grad Celsius stieg. „Das habe ich vorher noch nie erlebt.“ Nach vier Runden landete Marcel Ohorn 33 Schläge hinter dem Sieger auf Platz 49. Ein kleiner Rückschlag – oder auch eine Lektion, die er so noch nicht erfahren hatte. Bei nationalen oder gar regionalen Turnieren reichte Ohorn bisher selbst eine mittlere Leistung, um oben mitzuspielen. „Wenn ich jetzt nicht mein bestes Golf spiele, dann scheitere ich am Cut.“

Talent, ein guter Schwung und mentale Stärke sind für eine Golfkarriere wichtig. Entscheidend aber ist, sich auf die wechselnden Spielbedingungen einzustellen und die Reise- und Klimastrapazen des Wanderzirkus Golf möglichst unbeschadet zu ertragen. Genau das will Marcel Ohorn erreichen und wenn möglich in den kommenden zwei Jahren den Wechsel ins Profilager wagen. Die Vorzeichen dafür stehen gut: Nach mehr als 35 Jahren ist Ohorn der erste Golfnationalspieler aus Berlin. Seit der junge Mann aus Tempelhof im vergangenen Jahr seine Mittlere Reife gemacht hat, ist Golf endgültig sein Beruf. Damit seine Golfkarriere weiterhin so steil verläuft wie bisher, trainiert Ohorn mit seinem Trainer Gregor Tilch im Golfclub Stolper Heide jeden Tag bis zu zehn Stunden – ein Aufwand, den selbst viele Golfer so nicht vermuten würden. Mit einem Handicap von +3,4 gehört Marcel Ohorn schon jetzt zu den 15 besten Amateuren Deutschlands. Die mittelmäßigen Ergebnisse bei Turnieren in Großbritannien, Frankreich, Spanien und Australien haben ihm zuletzt aber gezeigt, dass er noch viele Lektionen und viel Arbeit vor sich hat.

Marcel Ohorn ist seinen 17 Jahren in aller Welt als Golfer unterwegs.
Marcel Ohorn ist seinen 17 Jahren in aller Welt als Golfer unterwegs.

© Mike Wolff

„Ich habe angefangen, darüber nachzudenken, ob meine Trainingsschwerpunkte richtig gesetzt sind“, erzählt Ohorn. Verbesserungspotenzial habe er vor allem bei seinen Schlägen ins Grün erkannt sowie beim Anschneiden der Bälle für bogenförmige Flugkurven nach links oder rechts – sogenannten Fades und Draws –, um sich dem Verlauf der Spielbahnen besser anpassen zu können. „Wir arbeiten auch an der Stabilität in der Hüfte“, sagt Trainer Gregor Tilch. Bei Ohorns verzogenen Schlägen, gerade mit dem Driver, liege der Grund oft dort. Die Art, den Ball zu putten, haben Trainer und Schüler zuletzt auch gemeinsam umgestellt.

Abgesehen von technischen Feinheiten feilen Tilch und Ohorn aber auch an der richtigen mentalen Herangehensweise. „Manche Spieler sind besser, wenn sie das Spiel technisch für sich zerlegen, andere sind erfolgreicher, indem sie aus dem Bauch heraus entscheiden und handeln“, erklärt Tilch. Tiger Woods sei ein absoluter Techniker, Bubba Watson dagegen ein Gefühlsspieler. Den individuell richtigen Weg finde sein Schützling nur, wenn er Verschiedenes ausprobiere.

Dass Gregor Tilch weiß, wovon er spricht, bestätigt die Auszeichnung zum besten deutschen Jugendtrainer des Jahres 2012 durch die PGA of Germany. Tilch hat seine Trainerausbildung bei Hank Haney in Texas absolviert, der viele Golfstars wie zum Beispiel Tiger Woods trainiert hat. Seit mittlerweile vier Jahren arbeitet Tilch mit Marcel Ohorn am Traum von der Profikarriere. Ohorn soll jedoch nur der Anfang sein. „Ich fördere mit meiner Golfschule explizit den Leistungssport“, sagt Tilch. Jugendliche, die bereit seien, den aufwendigen Weg ins Profilager zu gehen, unterstütze er, wo er kann. Das hat sich in Berlin und Umgebung längst herumgesprochen, so dass die Gregor Tilch Akademie in Stolper Heide auch Spieler anderer Golfclubs anzieht oder gar zum Clubwechsel bewegt. „Die Akademie betreibe ich mit nur einem Zehntel des Etats, der deutsche Topclubs wie etwa St. Leon-Rot für die Jugendarbeit zur Verfügung steht", betont Tilch. Insofern begreife er die Auszeichnung zum Jugendtrainer des Jahres auch als Anerkennung des Preis-Leistungs-Verhältnisses.

Tilchs Schüler Falko Hanisch zählt mit seinen 13 Jahren und einem Handicap von -3,0 bundesweit bereits zu den besten drei seiner Altersklasse. Auch Friedericke Nützmann (16 Jahre, Handicap -1,0) und Marcel Rauch (15 Jahre, Handicap -2,0) haben das Potenzial zur Golfkarriere. „Als Trainer lerne ich von meinen Schülern“, sagt Tilch. „Je besser sie spielen, desto komplexer werden die nächsten Schritte auch für mich.“

Ball aus dem Bunker: Kein Problem für den Berliner Nationalspieler.
Ball aus dem Bunker: Kein Problem für den Berliner Nationalspieler.

© Mike Wolff

Zu fünf bis sechs Turnieren wird Gregor Tilch seinen Schützling Marcel Ohorn in diesem Jahr begleiten. Als Golflehrer darf er bei Amateurturnieren allerdings nicht in die Rolle des Caddies schlüpfen. „Es ist schon hart, wenn ich Marcel vom Rand der Spielbahn aus beobachte, aber nichts sagen darf, weil Coaching bestraft wird“, erzählt Tilch. Daher trägt Marcel Ohorn seine Tasche allein und macht auch seine Entscheidungen auf der Runde nur mit sich selbst aus. „Bisher war das nicht immer glücklich“, gesteht Ohorn. Zuletzt habe er sich oft für zu schwierige Schläge entschieden. Nun müsse er versuchen, leichtere Lösungen zu finden. „Mehr Percentage-Golf“ nennt Ohorn das, mehr Abwägen von Risiken. Mit der gestiegenen Konkurrenz bei Turnieren in aller Welt ist die Luft für gewagtes Spiel deutlich dünner geworden. „Marcels Komfortzone muss jetzt auf die internationale Ebene wachsen“, fordert Gregor Tilch. Wenn er nicht mit zu Turnieren reise, telefonierten Ohorn und er oder kommunizierten per SMS. „Wenn ich nichts höre, weiß ich, dass es gut läuft“, sagt Tilch und grinst, weil das Telefon in den vergangenen Monaten seltener still blieb.

In dieser Saison bieten sich Ohorn eine ganze Reihe von Karriereleitern: Ende Mai reist er zu den offenen französischen Amateurmeisterschaften, dann folgt in Dänemark ein Vorbereitungslehrgang mit der Nationalmannschaft auf die Herren-EM im Juli. Weil Ohorn mit seinen 17 Jahren noch bei den Meisterschaften der Jugendlichen starten darf, spielt er in diesem Jahr noch einmal bei den British Boys und den German Boys um den Titel mit sowie bei der Deutschen Meisterschaft in der Altersklasse 18 und in der offenen Klasse. Bevor die Saison für den Berliner im September mit einem Profiturnier in Hardenberg endet, spielt er auch noch die British Amateur Championship im Golfclub Royal Cinque Ports & Princes direkt am Ärmelkanal. Der Sieger dieses Turniers qualifiziert sich für das Masters der Profis im US-Golf-Mekka Augusta – einem blumigen und angenehm windstillen Ort. Steiler könnte eine Golfkarriere kaum verlaufen. Doch an Englands stürmischer Westküste sind vorher kreative Schläge gefordert.

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