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Anders als der gemeine Hobbygolfer kann es sich US-Profi Rickie Fowler erlauben, auch mal Quietsch-Orange zu tragen.

© dpa

Golfmode: Stoff für Stoffel

Golf ist immer auch eine modische Gratwanderung. Die Kleiderordnung gilt als penibel. Dabei sind die Zeiten der Knickerbocker lange vorbei.

Irgendwo in Schottland: Es ist der Tag, an dem Herr Müller aus Wanne-Eickel im Rahmen seiner alljährlichen Golfreise beschlossen hat, dem Heimatland des Golfsports stilecht zu begegnen. Er steht am ersten Tee – und der Schotte neben ihm erschauert: Karierte Knickerbocker, Kniestrümpfe, ein roter Glencheck-Pullover und eine Schiebermütze komplettieren das Bild. Irgendwann einmal, in grauer Vorzeit so um 1744 herum, als die Honourable Company of Edinburgh Golfers ihre ersten Turniere ausrichtete, war man mit dem Schottenkaro und den Kniestrümpfen zweifellos up to date. Zweieinhalb Jahrhunderte später hat sich die Lage in Sachen Mode leicht geändert. Das typische Schottenoutfit möge sich Herr Müller in Zukunft für irgendein Hickory-Turnier konservieren, ansonsten wirkt er leicht verstörend.

Golf – so zumindest lautet ein weit verbreitetes Vorurteil – ist kein einfaches Spiel: Massenhaft Regeln, reichlich Etikette, und dann noch die Kleiderordnung. Bloß keine Jeans und so. Fingerspitzengefühl ist bei der Einkleidung gefragt, weil es sich mit den Golfern bei genauer Betrachtung eben nicht anders verhält als mit den Skifahrern: Top-Styling und superteure Markenware, das Ganze abgerundet durch modischen Schnickschnack wie das am Bag baumelnde Kosmetiktäschchen aus handgegerbtem Kalbsleder wecken bei erfahrenen Spielern den sofortigen Verdacht, dass es sich hier um eine teuer verpackte wandelnde Golf-Katastrophe handelt, deren Begleitung aufgrund der zu erwartenden 200 Schläge dringend zu meiden ist.

Könner des Spiels erkennt man meist an anderen Details: Das langärmlige Funktionsshirt unter dem Polohemd an kalten Tagen zum Beispiel; die Regenhose bei Trockenheit aber eklig tiefen Temperaturen; die Sport-Sonnenbrille ganz im Stil von Annika Sörenstam oder David Duval. Auch ein kleines Handtuch zum Abputzen des Balles, das am Rücken aus der Hose hängt, deutet darauf hin, dass dies ein Golfer sein könnte, der weniger Wert auf den verdreifachten-UVA-Absorptions-Wert im fett-gebrandeten Shirt legt als darauf, dass sein Ball auch bei Nässe auf dem Grün richtig rollt.

Wesentlich ist an dieser Stelle auch eine Bestandsaufnahme zum Thema Weste. Die Weste an sich, gerne gesteppt und tailliert, ist quasi ein Monopol des Golfers im deutschsprachigen Raum. Auf welche Weise sie sich eingeschlichen hat, ist gänzlich unbekannt. Fest steht, dass ihr Siegeszug auch in der Schweiz und Österreich ungebremst anhält, während sie weltweit von 99 Prozent aller ernsthaften Golfer ebenso abgelehnt wird wie überdimensionale Strohhüte, Golfsandalen, Muscle-Shirts oder Tank-Tops.

Doch selbst Profigolfer sind vor Irrungen im Bereich des Modischen nicht gefeit. Der wärmende Schalkragen des Martin Kaymer, erstmals in Szene gesetzt bei einer World Golf Championship in Arizona, erwies sich ebenso als Flop, wie das auf antik getrimmte Hemd der US-Ryder-Cup-Mannschaft aus dem Jahr 1999. Wobei das Team USA auch 2010 für Schlagzeilen in Sachen Fashion sorgte, als man die Regenanzüge im USA-Styling angesichts der anhaltenden Regenfluten von Wales gegen ein paar weniger hübsche, aber ziemlich funktionale Produkte aus dem lokalen Proshop ersetzte.

Golf ist in modischer Hinsicht eben immer eine kleine Gratwanderung. Progressiv und supermodisch darf es sein. Aber in schreiendem Orange von der Zehe bis zum Haaransatz macht sich eben nur ein Rickie Fowler gut, der den Ball gekonnt über den Platz bewegt. Welcher Handicap-54-Golfer aber wollte wie eine Signalampel bei jedem verzogenen Drive aus dem dicken Rough herausstrahlen? Auch dass die superlangen Beine der deutschen Proette Sandra Gal wie geschaffen sind für knappe Golfshorts und das kurze Shirt obendrüber, steht außer Frage – Rettungsringe im Taillenbereich und Orangenhaut aber lassen sich damit nur schwer verbergen.

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