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Sport: Griechisches Roulette

IOC-Präsident Jacques Rogge will in Athen über Baufortschritte reden – und muss sich mit der Sicherheit beschäftigen

Athen. Eine kleine Athener Zeitung will, dass die Griechen die Olympischen Spiele 2004 absagen. „Das Blutbad von Madrid könnte sich im Sommer wiederholen“, schrieb die Zeitung „Avriani“ am Sonntag und forderte eine Volksabstimmung über die Absage der Spiele. Tatsächliche Auswirkungen dürfte dieser Appell jedoch nicht haben, die Zeitung verkauft durchschnittlich nur 5000 Exemplare.

Doch auch die Verantwortlichen der Olympischen Spiele 2004 (13. – 29. August) sorgen sich nach den Bombenanschlägen von Madrid. „Die internationale Sicherheitslage ist Besorgnis erregend“, sagte Gianna Angelopoulos-Daskalaki, Präsidentin des Organisationskomitees Athoc. Die Regierung hat bereits die Nato um Unterstützung bei der Sicherheit gebeten. Bisher stehen für Sicherheitsfragen über 650 Millionen Euro zur Verfügung, mehr als doppelt so viel, wie die Winterspiele 2002 benötigten. Man werde die Vorgänge von Madrid analysieren, erklärte der Präsident des Internationalen Olympischen Komitees, Jacques Rogge.

Eigentlich hielt sich der Belgier in Athen auf, um den neuen griechische Ministerpräsidenten Kostas Karamanlis zu treffen. Der Konservative ist gleichzeitig auch der neue starke Mann der Olympia-Organisation. Der 48-Jährige ließ sich in der vergangenen Woche zum griechischen Kulturminister vereidigen und ist damit so etwas wie ein olympischer Supervisor. „Der Premierminister ist davon überzeugt, dass die Olympischen Sommerspiele eine nationale Aufgabe darstellen“, berichtete Rogge nach dem Treffen.

Der Belgier hegt, wie viele Griechen auch, die Hoffnung, dass sich durch den politischen Führungswechsel in Griechenland die Baufortschritte auf den olympischen Anlagen beschleunigen. Es gibt natürlich Anlass zur Hoffnung. Mit all seinen Personalentscheidungen, die Karamanlis nach innerparteilichem Ringen am vergangenen Dienstag durchsetzte, scheint die olympische Befehlskette nicht mehr so brüchig zu sein wie in den Jahren zuvor. Dem vormaligen sozialdemokratischen Ministerpräsidenten Kostas Simitis sowie dem Kultur- und Olympiaminister Evangelos Venizelos wurde nicht gerade das beste Verhältnis zu der konservativen Athoc-Präsidentin Gianna Angelopoulos-Daskalaki nachgesagt.

Doch Rogge wie auch Karamanlis wissen, dass ein politischer Wechsel allein nicht ausreicht, um auf den olympischen Baustellen für neuen Arbeitseifer zu sorgen. Die ersten drei verlorenen Jahre des olympischen Nichtstuns von 1997 bis 2000 kann keine Regierung wettmachen. Karamanlis hat angemahnt, keinen Tag mehr bis zu den Spielen verlieren zu wollen. Dafür verzichtet er sogar eigens auf die in Griechenland sonst mit einem Regierungswechsel einhergehende Entlassungswelle in der Bürokratie. Karamanlis rief vielmehr, als er die olympischen Amtsgeschäfte übernahm, in Richtung der neuen Oppositionspartei Pasok eine Art olympischen Waffenfrieden („Ekecheiria“) aus. Er hat keine andere Wahl, als weiter auf die Erfahrung der alten Olympiastrategen zu bauen. „Selbst für die Einarbeitung von neuen Mitarbeitern fehlt die Zeit“, erklärte der Politiker.

Nun sind es die alten Personen, die sich über die gleichen Probleme Gedanken machen müssen: das von den Athenern als „Calatrava-Dome“ verulkte Dach des gleichnamigen spanischen Stararchitekten, das dem Olympiastadion immer noch nicht aufgesetzt wurde. Hinzu kommen das Dach, das dem Schwimmstadion fehlt; ein öffentliches Verkehrssystem, das viel zu langsam auf die Schienen gebracht wird. Und die historische Marathonstrecke, die mit streikenden Bauarbeitern und in Konkurs gegangenen Firmen die Schlagzeilen beherrscht. „Das IOC hat eine Reihe von Fragen gestellt“, sagte Rogge. „Die Regierung hat jetzt zwei Wochen Zeit, darauf zu antworten.“ Er glaube aber, dass der Regierung das Vorhaben gelingen werde.

Unter Verwendung von dpa

Torsten Haselbauer

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