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Schnellstes Team beim neuen Spektakel. Das Team aus Neuseeland hat das erste Rennen der World Series gewonnen. Foto: AFP

© ddp

Sport: „Große Show um nichts“

Jochen Schümann, erfolgreichster deutscher Segler, lehnt den neuen America’s Cup ab

Der Segelsport erlebt eine Zeit der Umbrüche: Beim legendären America’s Cup wird nicht mehr auf Einrumpfbooten gesegelt, sondern auf Katamaranen das große Spektakel versprochen, und im kommenden Jahr könnte Segelikone Jochen Schümann abtreten. Der Tagesspiegel sprach mit dem 57-Jährigen über den Wandel.

Jochen Schümann, Sie gelten als Verfechter von Reformen, fordern neue Rennformate und eine bessere Medialisierung. Der America’s Cup hat eine radikale Wandlung erlebt: Auf Katamaranen soll in die Zukunft gesegelt und die Facebook-Generation mitgerissen werden. Der neue America’s Cup soll hart, schnell, taktisch, wild und athletisch zugleich sein. Wie stehen Sie dazu?

Da sind eine Menge Worthülsen im Umlauf, es wird eine große Show um nichts gemacht. Die Katamarane sind neu, und die dazugehörigen Technologien, der Wettkampf wird am Ende aber dünn sein. Auch weil bestimmte Aspekte verloren gehen. Zwei Rümpfe, ein starres Segel, immer geradeaus – das hat eher etwas mit Flugzeugen als mit Segeln zu tun. Es ist vergleichbar mit der Formel 1: Dafür interessieren sich die Leute, obwohl es Autos gibt, die viel schneller geradeaus rasen könnten. Aber man will doch die Entwicklung bei so einem Wettkampf erleben, die technischen und taktischen Finessen.

Dennoch lockt das neue Format junge Leute. Die Bilder vom Trainingsunfall im Juni vor San Francisco, als sich ein Boot überschlug, haben im Internet für Rekordzugriffe gesorgt und Interesse geweckt.

Die Frage ist, ob man nur für ein Spektakel sorgen oder auch Qualität bieten will. Der Unfall war ein Zeichen für das Unvermögen, mit diesen Katamaranen umzugehen. Das wird in Kauf genommen.

Die Organisatoren gehen bewusst Risiken ein?

Ja. Jetzt wird mit kleinen Katamaranen getestet, aber beim America’s Cup werden die Boote und Masten fast doppelt so groß und hoch sein. Da wirken unglaubliche Kräfte. Die Segler könnten in 40 Metern Höhe durch die Luft geschleudert werden. Es ist völlig unklar, worauf man sich da einlässt.

Einige Segler befürchten, dass Einrumpfregatten unter der neuen Entwicklung leiden und an Bedeutung verlieren könnten.

Das wird nicht passieren. Um beim America’s Cup zu starten, braucht man nicht Millionäre, sondern Milliardäre als Eigner – und davon gibt es nicht so viele. Am Ende werden dort nur drei wettbewerbsfähige Teams starten. Viele werden sich darauf nicht einlassen, denn die Budgets und Zeitpläne sind zu unsicher. Man baut etwas für viel Geld, und am Ende ist der Zeitplan zu kurz gesteckt.

Die traditionellen Rennjachten bleiben interessant?

Ja, der MedCup ist zum Beispiel ein Top-Event. Durch 3-D-Tracking-Systeme und Kameras auf den Booten sind die Zuschauer hautnah dabei. Sie erleben spannende Wettkämpfe, bei denen tatsächlich jeder jeden schlagen kann. Auf allen Jachten kämpfen Olympiasieger, America’s-Cup-Gewinner und Weltmeister – das ist Champions League.

Dazu zählen auch Sie, der alle wichtigen Trophäen gewonnen hat. Inzwischen sind Sie 57 Jahre alt – noch gar nicht segelmüde?

Ich habe viel Erfahrung und empfinde es aufgrund meiner Erfolge als Verpflichtung, die Zeit noch zu nutzen, um den Sportlern und Sponsoren eine gesunde Grundlage zu hinterlassen. Im kommenden Jahr könnte ich mir allerdings vorstellen, auszusteigen und mein Steuer in die Hand eines anderen deutschen Seglers zu geben. Damit wäre meine Generation abgelöst. Vielleicht passiert das aber auch erst im Jahr darauf, denn unsere All-4-One-Kampagne beim MedCup läuft noch bis 2013.

Das Gespräch führte

André Wornowski.

Jochen Schümann, 57, holte dreimal olympisches Gold, zum ersten Mal 1976 in Montreal. 2003 und 2007 gewann der gebürtige Berliner den prestigeträchtigen

America’s Cup.

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