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Sport: Große Töne

WETTKAMPF DES TAGES James Magnussen ist Australiens Goldhoffnung über 100 Meter Freistil – aber die Konkurrenz der anderen Schwimmer ist stark.

James Magnussen hat heute verdammt viel gutzumachen. Zu Hause, in Australien, sind sie ganz schön sauer auf ihn. „Seine Olympiakampagne ist in Fetzen zerrissen worden“, empörte sich der australische „Sunday Morning Herald“.

Magnussen war Startschwimmer der 4-x-100-Meter-Freistilstaffel, die nicht mal Bronze gewonnen hatte. Und warum? Zum Beispiel, weil Magnussen sich nicht mal gegen den US-Amerikaner Nathan Adrian durchsetzen konnte. Magnussen, der Weltmeister über 100 Meter Freistil! Der Mann, der bei den Trials 2012 den 100-Meter-Freistil-Weltrekord nur um 17 Hundertstelsekunden verpasst hatte. Was für eine Schande.

Er muss also heute im Finale über 100 Meter Freistil schon Gold gewinnen, um seine Ehre und die der ganzen Nation wiederherzustellen. Denn bei den 100 Metern Freistil geht es um die ganz großen Symbole. Hier wird der schnellste Schwimmer der Welt ermittelt. Hier, nicht über 50 Meter Freistil, die zählen nicht beim Kampf um den ultimativen Titel. „Die 100 Meter Freistil waren und sind das Highlight der Schwimm-Wettbewerbe“, sagt Alexander Popow, der legendäre Sprinter aus Russland, 1992 und 1996 Olympiasieger über diese Strecke.

Um die Bedeutung der Strecke darzustellen, muss man noch mal eine australische Zeitung zitieren, den „Daily Telegraph“ nämlich: „Ein Superstar ist geboren“, schrieb das Blatt 2011. Der Superstar heißt James Magnussen. 2011 wurde er Weltmeister über die 100 Meter Freistil, der erste Australier, der je über diese Distanz bei einer Weltmeisterschaft Gold gewann. Australien ist eine große Schwimmnation, sie hat Legenden wie den fünfmaligen Olympiasieger Ian Thorpe, aber über Magnussens Triumph freuten sich die Fans wie ein Kind über die neue Eisenbahn.

Magnussen heizte die Stimmung auch noch an: „Ich will als schnellster Mann der Geschichte angesehen werden“, verkündete er vor London. Daran kann er heute ja gut arbeiten.

Allerdings ist die Konkurrenz verdammt stark. Und jeder hat seinen eigenen Grund, ganz besonders motiviert zu sein. Magnussen will natürlich Rache für die Staffelpleite. Yannick Agnel, der Franzose, will nach seinem legendären Rennen, als er den Franzosen noch den Olympiasieg über die 4-x-100-Meter-Freistil-Staffel sicherte, auch über die Einzelstrecke Olympiasieger werden. Für die USA geht es darum, Rache für die Staffel-Niederlage gegen Frankreich zu nehmen, und für den Brasilianer Cesar Cielo geht es nicht bloß um Gold, sondern auch um Imageverbesserung. Er hält den Weltrekord (46,91 Sekunden) und wird von Konkurrenten misstrauisch beäugt, weil er 2011 bei der WM starten durfte, obwohl er positiv getestet worden war.

Cielo behauptete, er habe das verbotene harntreibende Medikament unwissentlich eingenommen, als er eine Koffeinkapsel geschluckt habe. Damit kam er durch, belegte bei der WM aber nur Platz vier. Jetzt möchte Cielo zeigen, dass er offiziell auch ohne unlautere Mittel schnell schwimmen kann.

Der große Favorit ist freilich, nach den bisherigen Leistungen, Agnel. Er hatte in der Staffel dem US-Schlussschwimmer Ryan Lochte glatt eine Sekunde abgenommen, er hatte auch am Montag über 200 Meter Freistil dominiert. Andererseits: Im Kampf um den Titel des schnellsten Schwimmers der Welt ist alles möglich. Mit Magnussens Einbruch hatte ja auch niemand gerechnet.

Über Magnussen hatte ein Experte sogar gesagt: „Wenn ich ihn sehe, sehe ich eine neue Ära im Sprint.“ Der Satz kam von Ian Thorpe. Am Tag der Eröffnungsfeier.

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