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Sport: Großes Geld für kleine Vereine

Im Amateur- und Spitzensport werden viele Einrichtungen aus Lottomitteln finanziert – doch die Einnahmen gehen zurück.

Berlin - Der kleine Abdallah ist müde. Er mag nicht mehr laufen und hält sich hilfesuchend am Hosenbein seines Übungsleiters fest. Alexander Mittrach aber schafft es, den Vierjährigen noch einmal zu motivieren. Und so geht es weiter im Kreis um die Hütchen, die an diesem Tag auf dem Rasen im Stadion Wuhletal aufgebaut sind. Dann plötzlich ruft Mittrach: „Eis!“ Abdallah und seine drei kleinen Mitstreiter bleiben sofort wie festgefroren stehen. „Feuer, Wasser, Sturm“ heißt das Spiel, mit dem Mittrach die Kinder in seinem Bewegungskurs betreut. Die haben Spaß an der Sache, auch Abdallah wetzt nun wieder putzmunter seinen Freunden hinterher.

51 000 Euro jährlich werden für Projekte aus dem Programm „Kleine kommen ganz groß raus“ vom Landessportbund (LSB) Berlin zur Verfügung gestellt, die AOK Nordost gibt noch einmal die gleiche Summe dazu. Der Hellersdorfer Athletik-Klub, bei dem Abdallah und seine Freunde wirbeln, ist der zweitgrößte Sportverein im Bezirk Marzahn-Hellersdorf. Die Hälfte seiner 1200 Mitglieder sind Kinder und Jugendliche. Er kooperiert mit zwei anliegenden Kindertagesstätten, was in diesem Jahr bislang mit rund 1500 Euro vom Landessportbund bezuschusst wurde. Zwei Jahre gibt es finanzielle Unterstützung, dann müssen die Vereine die Kosten für ihre Kurse aus eigenen Mitteln aufbringen können. Beim Hellersdorfer AK klappt das ganz gut. „50 bis 60 Prozent der Kinder bleiben im Verein“, sagt Alexander Mittrach.

Die Augen von Marion Bleß leuchten, während sie die Kinder im Stadion Wuhletal herumtollen sieht. Bleß ist Vorsitzende der Lottostiftung Berlin. Das Projekt „Kleine kommen ganz groß raus“ wäre ohne Lottogeld gar nicht möglich. Die Lottostiftung Berlin ist einer der größten Sportförderer der Stadt. Von den rund 260 Millionen Euro, die sich Lottospieler jährlich ihre Kreuzchen kosten lassen, fließen 20 Prozent in die Stiftung. Davon wiederum landet rund ein Viertel im Sport, verteilt vom Landessportbund gleichermaßen an Breiten- wie Spitzensport. Allerdings gehen die Einnahmen kontinuierlich zurück, gerade bei den Sportwetten drängt private Konkurrenz in den Markt – mit attraktiven Spielquoten, aber auch mit all seinen Risiken. Der Glücksspielstaatsvertrag gesteht der Lottostiftung in Deutschland zwar weiterhin ein Monopol zu, doch inzwischen kann jeder über das Internet praktisch auf alles wetten. „Dadurch verliert das Land Berlin viel Geld“, sagt Bleß und fordert ein strengeres Vorgehen gegen „illegale Anbieter“. Das nämlich sind private Sportwettenanbieter derzeit noch, wer eine offizielle Lizenz bekommt, muss erst noch entschieden werden.

Bei der Ruder-Union Arkona an der Scharfen Lanke in Spandau sind diese Probleme weit weg. Der Verein hat gerade seine Bootshalle saniert, einen Kraftraum eingerichtet sowie zusätzliche Bootslagerflächen geschaffen. Das alles hat zusammen 692 000 Euro gekostet – und ist zum Teil aus Lottomitteln finanziert worden. Der Landessportbund verwaltet das von der Lottostiftung zur Verfügung gestellte Geld und entscheidet, wer wie unterstützt wird. Er vergibt auch zinslose Darlehen in Höhe von 40 Prozent der Investitionsausgaben. Die Ruder-Union Arkona konnte darauf verzichten, weil der Verein über genügend eigene Reserven verfügt. „Das ist ungewöhnlich, dass ein Verein das stemmen kann“, sagt LSB-Präsident Klaus Böger und lobt Arkona als „Musterbeispiel“.

Lottogeld wird aber nicht nur dafür verwendet, Vereine bei ihren Investitionsvorhaben zu unterstützen. Oft geht es auch darum, zunächst einmal Strukturen aufzubauen. So wie beim Gymnastik-, Spiel- und Turnverein (GST) Beweggrund, der Gesundheitssportkurse an verschiedenen Standorten in Tegel anbietet. Beim Standort in der Falkenhorststraße, einem ehemaligen Kinderheim, wurde ein Schwimmbad angemietet und später gänzlich übernommen.

Breitensport ist eine Sache, Spitzensport eine andere. Aus Lottomitteln vergab der Landessportbund im vergangenen Jahr 366 000 Euro für die Spitzensportförderung. Nutznießer sind die zahlreichen kleineren Bundesligisten Berlins, von denen die Stadt so viele hat. Zum Beispiel im Radsport das KED Stevens Team, in dem hoffnungsvolle Talente ausgebildet werden. Das kostet Geld, allein das Material verschlingt hohe Summen. Insgesamt hat das Team ein Budget im mittleren sechsstelligen Eurobereich, es nimmt an zahlreichen internationalen U-23-Rennen teil. Die Lottoförderung in Höhe von 8500 Euro ist eine kleine Hilfe, mehr als ein Trainingslager lässt sich damit nicht finanzieren. Doch weil die Mittel gleichmäßig auf die verschiedenen Berliner Sportverbände verteilt werden, fällt die Förderung bei insgesamt 36 Sportarten naturgemäß eher gering für alle aus. Ob dieses Gießkannenprinzip sinnvoll ist? „Natürlich hätten wir gern 80 000 Euro“, sagt Dieter Stein, der Sportliche Leiter von KED. „Aber das ist schwierig und mit dem zur Verfügung gestellten Geld können wir trotzdem wichtige Veranstaltungen finanzieren.“

Große Profivereine wie Hertha BSC oder der 1. FC Union profitieren von den Lottogeldern nur indirekt, zum Beispiel bei der Unterstützung von Fanprojekten wie dem in der Cantianstraße in Prenzlauer Berg. Hier ist eine Begegnungsstätte für jugendliche Fußballfans mit dem Ziel entstanden, Gewalt und Extremismus vorzubeugen. 300 000 Euro beträgt das Jahresbudget des Fanprojekts Berlin, knapp die Hälfte des Geldes kommt aus dem Lotto.

In Berlin gibt es mehr als 2000 Vereine mit vielen förderungsfähigen Initiativen. Antragsstellung, Prüfung und Bewilligung werden da schnell zur Wissenschaft und können sich hinziehen. Der Rückgang der Lottoeinnahmen könnte in den nächsten Jahren aber noch ganz andere Probleme mit sich bringen. Sinnvollen Projekten droht womöglich das Aus. Schon jetzt klaffen Lücken im Etat des Landessportbundes, die aufgefangen werden müssen. „Spielt mehr Lotto“, fordert Böger und lacht dabei. Dass die Lösung längst nicht so einfach ist, weiß der LSB-Präsident selbst am besten.

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