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Sport: Grün ist die Verzweiflung

Von Matthias Thibaut London. Die Farbe weckt Erinnerungen: British Racing Green, 1954 von Jaguar eingeführt.

Von Matthias Thibaut

London. Die Farbe weckt Erinnerungen: British Racing Green, 1954 von Jaguar eingeführt. Silverstone war gerade erst von einem Militärflugplatz zu einer Rennstrecke umfunktioniert worden, die Piloten trugen Tweedjacke und Lederhelm und die Luft roch nach Schmieröl, Pfeifentabak und dem Parfüm hübscher Debütantinnen. Die Formel 1 steckte noch in den Kinderschuhen, genau wie die Marke Jaguar.

Der Lauf der Geschichte hatte die Swallow Sidecar Company gezwungen, einen neuen n für ihre SS-Baureihe zu wählen. Die Wahl fiel auf Jaguar, das später den legendären E-Typ baute, bis heute die ideale Verbindung von Emotion und Technologie. Kein Auto, sagten Enthusiasten damals, sondern eine Offenbarung.

Ob das allerdings an diesem Wochenende beim Großen Preis von Großbritannien in Silverstone gilt? In der Formel 1 fährt das noble Grün nicht nur dem Rot Ferraris hoffnungslos hinterher. Jaguars Teamchef Niki Lauda bezeichnete das Rennen in Silverstone als „wichtigsten Termin im Kalender". Nicht nur, weil man den neuen Boliden R3b an den Start bringt, mit dem alles besser werden soll. Für Jaguar ist dies schließlich ein Heimspiel, man vertritt in der Formel 1 doch gewissermaßen die britische Sache. „Alle großen Champions haben in Silverstone gekämpft und gewonnen“, sagt Lauda. Sich selber ausgenommen. Als Rennfahrer gewann er seine drei britischen Grand Prix in Brands Hatch, und als Chef von Jaguar Racing wird er in Silverstone wohl ebenfalls kaum einen Sieg bejubeln dürfen. Zumindest nicht in diesem Jahr. Denn Jaguar leidet unter „Verhaltensstörungen“, wie es die eigene Pressestelle formulierte, nachdem Eddie Irvine sein Auto auf dem Nürburgring nach der 43. Runde hatte abstellen müssen. „Ich werde Jaguar an die Spitze der Formel 1 bringen“, hatte Lauda versprochen, als er letztes Jahr die sportliche Verantwortung für das Team von Bobby Rahal übernahm. Doch auch in der dritten Saison bleibt der Erfolg aus. Unbedenklich pumpt das Mutterunternehmen Ford ein Vermögen in das Team – ein siegverdächtiges Auto ist nicht in Sicht.

Dabei konnte man sogar auf der Vorleistung anderer aufbauen. Ford kaufte 1999 Jackie Stewarts Garagenteam vollends auf und klebte dem Laden einfach das Jaguar-Symbol an. 65 Millionen Pfund zahlte man für Stewart Racing, inklusive des Motorenherstellers Cosworth. Doch man musste schnell einsehen, dass Geld allein nicht schneller macht. Für schätzungsweise 60 Millionen Pfund pro Saison – allein Fahrer Eddie Irvine soll ein Gehalt von 6 Millionen Pfund beziehen – konnte Jaguar in dieser Saison gerade vier Punkte in Australien einfahren. Und die waren wegen des chaotischen Rennverlaufs eher Glückssache.

Als der neue R3 sich Anfang des Jahres nach Hunderten von Teststunden im Windkanal als noch langsamer erwies als das Vorgängerfahrzeug, wurde Technikchef Steve Nichols gefeuert. Manager Günther Steiner ließ den Wagen von Grund auf umbauen. Das Aerodynamik-Paket wurde völlig umgestaltet, der Motor modifiziert. Nur die grüne Farbe blieb. Doch Lauda äußerte sich nach dem Testlauf in Barcelona vorsichtig: „Ermutigend, aber nicht schlüssig.“ In Silverstone soll nun ein „durchgängiges aerodynamisches Programm für den Rest der Saison“ beginnen. Optimismus klingt anders.

Kein Wunder, dass es Gerüchte gibt. Niki Lauda werde von Jackie Stewart abgelöst, wird gemunkelt, und Ford werde im Zuge der Kosteneinsparungen den Geldhahn zudrehen. „Lächerliche Gerüchte“, nennt man das bei Jaguar. Ford ist schließlich seit 35 Jahren in der Formel 1. In der Tat testet Lauda schon Fahrer für die neue Saison. Eddie Irvine wird wohl nicht bei Jaguar bleiben, sein Vertrag läuft aus. Wenn man ihm ein wettbewerbsfähiges Auto anböte, würde er sogar eine Gehaltskürzung akzeptieren, meint er. „Aber das kann sieben bis zehn Jahre dauern, da bin ich schon lange nicht mehr dabei.“

Auch Lauda will nicht mehr warten. „Wir sind nicht nur hier, um die Zahlen voll zu machen. Wir wollen Rennen gewinnen und dann die Weltmeisterschaft.“ Immerhin verkaufen sich die Straßenwagen aber auch ohne den Erfolg auf der Rennstrecke ganz gut. Vielleicht hatte ja der bisherige Jaguar- Chef Wolfgang Reitzle Recht. „Es kann im Sport nur einen Sieger geben“, meinte er im „Handelsblatt“, „aber die Formel 1 bietet auch den Verlierern die Chance, beim Publikum zu punkten."

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