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Sport: Grüne Welle

Ibaraki. Die Menschen auf dem Bahnsteig von Chiba wirken wie ein grünes Meer.

Ibaraki. Die Menschen auf dem Bahnsteig von Chiba wirken wie ein grünes Meer. Gesichter, Haare, Fahnen, Trikots – alles leuchtet in der Farbe der irischen Nationalelf. Es wird einem etwas unwohl im weißen Dress des Deutschen Fußball-Bundes. So fühlen sich Außenseiter. Auch der aus Tokio einfahrende Zug zum Kashima-Fußball-Stadion, dorthin, wo das WM-Spiel Irlands gegen Deutschland stattfindet, verspricht kaum Hoffnung, Gleichgesinnte zu treffen. Nur ab und an lässt sich in der vollbesetzten Bahn der weiße Stofffetzen eines deutschen Trikots erahnen. Wer sich in einen der hinteren Wagen quetscht, wird von irischen Fans auf seine Trikotfarbe anspielend mit einem freundlichen „Wrong colours!" begrüßt.

Die Stimmung im Sonderzug ist trotz der drückenden Enge entspannt und ausgelassen. WM-Atmosphäre liegt in der Luft. Die Anhänger der Mannschaft von der Insel sind ausgesprochen friedlich. Die Fahrt zum Kashima-Stadion bietet ausreichend Gelegenheit, sich mit irischem Liedgut vertraut zu machen. Sie singen ohne Pause bis zur Endstation – 90 laute Minuten lang.

In Kashima werden die Fangruppen in verschiedene Shuttle-Busse aufgeteilt. Die Grünen verschwinden für kurze Zeit aus dem Blickfeld. Es wird still und leer. Dann, die erste Kontaktaufnahme mit dem versprengten Häufchen deutscher Fans. Die meisten von ihnen sind extra für die WM nach Japan gereist, einige haben ihren Jahresurlaub genommen, um in Fernost dabei zu sein. Andere leben in Japan, begleiten das deutsche Team von Spiel zu Spiel.

Vor den Stadiontoren bereitet das Massenaufgebot der japanischen Ordner einen herzlichen Empfang. Alle paar Meter steht ein Helfer und wünscht einen guten Abend und ein schönes Spiel. Die Hilfsbereitschaft ist rührend, die Fürsorge dafür übertrieben: Via Megaphon ertönt die Bitte, beim Treppensteigen aufzupassen, ebenso beim Überqueren einer Fußgängerbrücke. Schließlich sei der Wind heute besonders stark. Der Sicherheitscheck am Eingang verläuft schneller als erwartet. Obwohl die Angst vor möglichen Hooligans bei den Sicherheitsbehörden groß ist. Das Wort Hooligan wird von den Japanern mehr geflüstert denn gesprochen. Eine ziemliche Portion Respekt vor potenziell gewaltbereiten Fans aus Europa schwingt mit. Zu groß ist die Unsicherheit über den richtigen Umgang mit der für die japanische Mentalität so fremden Lust am Krawall.

Im Stadion dann Erleichterung. Die 150 Dollar für den Sitzplatz in der teuersten Kategorie sind gut angelegt. Unterring Reihe acht, ein reines Fußballstadion – die Sicht ist großartig. Ärgerlich nur, dass erneut Tausende von Sitzplätzen frei bleiben, obwohl offiziell keine Tickets mehr zu haben waren. Auf dem Schwarzmarkt waren 100-Dollar-Karten für 280 Dollar gehandelt worden. Über das Spiel ist schnell berichtet: Obwohl das irische Team lange Zeit einem Rückstand hinterherläuft, sind es die grünen Fans, die Stimmung machen. Die deutschen Anhänger versuchen mitzuhalten, sind aber zahlenmäßig weit unterlegen. Auf einen der rund 1500 Deutschen kommen zehn irische Fans.

Nach dem Schlusspfiff bietet sich ein für das Spiel typisches Bild. Während die Iren – glücklich über den Ausgleich in letzter Sekunde – feiern, als wäre sie gerade Weltmeister geworden, flüchten fast alle deutschen Spieler sofort in die Kabine. Ohne Abschied vom deutschen Fanblock. Carsten Loth

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