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Sport: Grundsätzliches dauert länger

Claudia Pechstein muss noch Wochen auf ihr Doping-Urteil warten

Es hätte die schönstmögliche Rückkehr werden können, auf dem Eis, das sie am besten kennt, in der Halle, die sie am besten kennt, im Sportforum Hohenschönhausen. Doch Claudia Pechstein wird dort nicht laufen dürfen. Nicht bei den deutschen Meisterschaften am nächsten Wochenende und auch nicht beim Weltcup eine Woche später. Ihre Dopingsperre, ausgesprochen von der Internationalen Eisschnelllauf-Union (ISU), bleibt bestehen. Der Internationale Sportgerichtshof Cas wird nicht vor dem 10. November verkünden, ob er die Sperre aufhebt oder bestätigt. Das hat er auf seiner Internetseite bekannt gegeben.

Für Claudia Pechstein bedeutet das erst einmal: zwei Wochen weniger Wettkampfpraxis auf dem Weg zu den Olympischen Spielen in Vancouver. „Auf eine Woche mehr oder weniger kommt es jetzt auch nicht an“, sagte sie. Am Donnerstag und Freitag hatte sie vor dem Cas in Lausanne mit ihren Anwälten um die Auflösung der Dopingsperre wegen erhöhter Retikulozyten verhandelt. „Ich muss das jetzt erst einmal alles sacken lassen“, sagte sie nach der zweitägigen Anhörung.

Dass das dreiköpfige Schiedsgericht des Cas sich nun doch länger Zeit lässt, ist ein Beleg dafür, dass es nicht nur um die Karriere der erfolgreichsten deutschen Winterolympionikin geht, sondern auch um den indirekten Dopingnachweis mittels Blutprofil. Die Sperre gegen Pechstein ist schließlich die erste, die aufgrund eines schwankenden Blutprofils ausgesprochen wurde. Eine der wenigen Äußerungen der Cas-Richter in der Verhandlung sei der Hinweis auf die hohe Bedeutung des Verfahrens gewesen, berichtete Christian Krähe, einer von Pechsteins Rechtsanwälten. „Deshalb wollen sie sich auch ausreichend Zeit nehmen.“ Bis zum Dienstag haben die beiden streitenden Parteien, Pechstein auf der einen Seite und die ISU auf der anderen, sogar noch Gelegenheit, Unterlagen nachzureichen.

Die Cas-Richter stehen vor der schwierigen Aufgabe, wissenschaftliche Gutachten bewerten zu müssen und einzuschätzen, ob sie als Belege für eine zweifache Mutation von Pechsteins Epo-Gen beziehungsweise eine Hämolyse, eine Anomalie im Blutkreislauf, taugen. Schon bei der Verhandlung gab es, wie ein Beteiligter erzählt, einen offenen Schlagabtausch der Sachverständigen. „Sie standen an einer Tafel und spielten sich vor den Analysedaten gegenseitig Argumente hin und her wie Tennisbälle.“

Rechtsanwalt Simon Bergmann, der Pechstein gemeinsam mit Krähe vor dem Cas vertrat, sagte: „Hier war die Crème de la Crème der medizinischen Forschung anwesend, da wird es sehr schwer für das Schiedsgericht sein, sich festzulegen.“ Die Beweislast liege jedenfalls eindeutig bei der ISU „und wenn man sich nicht entscheiden kann, muss das Verfahren zugunsten des Angeklagten ausgehen“, sagte Bergmann.

Von grundsätzlicher Bedeutung ist der Urteilsspruch schon deshalb, weil er etwas über das Beweismaß aussagen könnte, also wie stark die Beweise des sperrenden Verbandes gegen Athleten sein müssen. „Wenn der Cas zu unseren Gunsten entscheidet, heißt das aber noch nicht, dass er damit das Blutprofil als indirekten Beweis ablehnt, aber er lehnt vielleicht die Art und Weise ab, wie die ISU es anwendet“, sagte Bergmann. Die Welt-Anti-Doping-Agentur Wada hat zum Blutprofil inzwischen Standards erarbeitet, die über den der ISU-Blutkontrollen hinausgehen. An diesen Standards könnte sich auch der Cas orientieren.

Pechstein Verteidiger sehen sich nun klar im Vorteil, die ISU wollte die Anhörung dagegen nicht kommentieren. Dafür gibt es mindestens zwei verschiedene Erklärungen. Entweder der Verband fühlt sich überrumpelt von den Gutachten der Gegenseite, oder er will Pechstein wenigstens die öffentliche Deutung ihres Falles überlassen, zumal im Verfahren schon genug medizinische Befunde Pechsteins diskutiert worden sind, die eigentlich der ärztlichen Schweigepflicht unterliegen. „Es gibt mittlerweile schon so viele Informationen über mich“, sagte Pechstein „fehlt nur noch der Kontostand.“

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