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Sport: Gummiwände, Wunderheiler und böse Väter

BERLIN .Jahrelang lautete die stereotype Frage vor dem Turnier in Berlin: Wer kann Steffi Graf stoppen?

BERLIN .Jahrelang lautete die stereotype Frage vor dem Turnier in Berlin: Wer kann Steffi Graf stoppen? Die Verhältnisse haben sich geändert.In den vergangenen vier Jahren gab es vier verschiedene Siegerinnen.Bisher war keine der sogenannten jungen Wilden darunter, keine Hingis, keine Williams-Schwester, keine Kurnikowa.Wir stellen die acht topgesetzten Spielerinnen vor.

Martina Hingis (geb.30.September 1980 in Kosice) stieg Mitte der neunziger Jahre kometenhaft auf in der Weltrangliste.Am 31.März 1997 hatte sie als jüngste Spielerin aller Zeiten die absolute Spitze erreicht.Jenes Jahr war ihr bisher bestes.Die Schweizerin gewann die großen Turniere in Melbourne, Wimbledon und New York, nur in Paris scheiterte sie im Finale.Inzwischen ist die Weltranglistenerste von der Jägerin zur Gejagten geworden, verlor ihre Führungsposition vorübergehend an Lindsay Davenport.Sogar eine gewisse Tennis-Müdigkeit machte sich bemerkbar.Doch das erste große Turnier dieses Jahres, die Australian Open, bestimmte sie in gewohnter Manier.Nur in Berlin kam Hingis bei drei Teilnahmen nie über das Viertelfinale hinaus.

Jana Novotna (geb.2.Oktober 1968 in Brno) gehört seit zehn Jahren fast ständig zu den Top ten.Doch die Tschechin galt lange als ewige Zweite, verlor oft in entscheidenden Matches die Nerven.Unvergessen ist das Wimbledon-Endspiel von 1993, als sie im dritten Satz gegen Steffi Graf 4:1 vorn lag, dann jedoch das große Flattern bekam und verlor.Die Herzogin von Kent tröstete nach dem Finale die schluchzende Jana, die zu den wenigen eleganten Tennisspielerinnen der Frauen-Tour zählt, beherzt angreift und über ein sehr gutes Ballgefühl verfügt.Im vergangenen Jahr ging ihr großer Traum in Erfüllung, als sie doch noch Wimbledon gewann.In Berlin trat sie achtmal an und kam viermal bis ins Halbfinale.

Steffi Graf (geb.14.Juni 1969 in Brühl) ist jene Spielerin, die den German Open in Berlin zu der Bedeutung verholfen hat, die sie heute haben.Bei 14 Starts siegte die langjährige Weltranglistenerste hier neunmal, zuletzt 1996, kassierte aber im Jahr darauf auch mit 0:6, 1:6 gegen Amanda Coetzer die verheerendste Niederlage ihrer Karriere.Daß sie überhaupt noch spielt und trotz der ungezählten privaten und gesundheitlichen Rückschläge wieder zu den Top-Spielerinnen gehört, nötigt selbst der jungen Konkurrenz und ihren Kritikern großen Respekt ab.Niemand wagt mehr zu sagen, wann die 21malige Grand-Slam-Turnier-Siegerin, die ihre Karriere 1988 mit dem Gewinn des "Golden Slam" (Melbourne, Paris, Wimbledon, New York und Olmpische Spiele) krönte, den Schläger beiseite stellen wird.

Arantxa Sanchez-Vicario (geb.18.Dezember 1971 in Barcelona) mißt nur 169 cm und wird deshalb leicht unterschätzt.Ein Fehler, wie ihre Erfolgsbilanz beweist.Die kleine Spanierin hat über 20 Turniere gewonnen.Mit ihrer Geduld - gehässige Menschen nennen sie eine Gummiwand, weil jeder Ball irgendwie zurückkommt - siegte sie dreimal in Paris, einmal bei den US Open, obwohl sie stets Außenseiterin war.Weitere acht Male erreichte sie die Endspiele von Grand-Slam-Turnieren.Seit 1995 darf sich Arantxa auch statistisch zu den ganz Großen rechnen lassen.Sie übernahm für mehrere Wochen die Nummer eins der Weltrangliste.Achtmal spielte sie in Berlin mit und gewann 1995 gegen Magdalena Maleewa.

Mary Pierce (geb.15.Januar 1975 in Montreal) wurde bekannt durch ihr gestörtes Verhältnis zu ihrem Vater Jim, der im Training schon mal handgreiflich wurde und wegen seines Auftretens von etlichen Turnieren ausgeschlossen worden war.Doch die Französin fiel auch durch andere Dinge auf - zum einen durch ihr manchmal übertrieben damenhaftes Verhalten, zum anderen durch sportliche Erfolge.1995 gewann sie die Australian Open, außerdem stand sie dort 1997 im Endspiel, wie auch 1994 in Paris.Ihre höchste Weltranglistenposition erreichte sie 1995 mit Rang drei.Mary Pierce startet zum sechsten Mal in Berlin, wo sie vor zwei Jahren im Endspiel stand.

Nathalie Tauziat (geb.17.Oktober 1967 in Bangui/Zentralafrikanische Republik) gehört wie Novotna zu den Spielerinnen, die im Schatten der Top-Stars seit vielen Jahren mithalten.Doch hat die Französin nie die Erfolge erzielt wie ihre tschechische Kollegin.Ihre größte Chance, sich in die Tennis-Geschichtsbücher einzutragen, vergab die Kusine des französischen Fußball-Weltmeisters Didier Deschamps, letztes Jahr in Wimbledon.Dort unterlag sie im Endspiel Jana Novotna 4:6, 6:7.In Berlin tritt sie zum 13.Mal an.

Serena Williams (geb.26.September 1981 in Saginaw/Michigan) hat noch nicht mehr als ein gutes Dutzend WTA-Turniere gespielt und steht schon in den Top ten.In ihr und ihrer ein Jahr älteren Schwester Venus sehen die Experten die Hauptkonkurrentinnen von Martina Hingis im zukünftigen Kampf um die Nummer eins.Beim Turnier in Key Biscayne im Frühjahr machten die "Power-Sisters" klar, daß dies keineswegs übertrieben ist.Dort erreichten die beiden das Finale, wo diesmal noch Venus die etwas Stärkere war.Serena Williams tritt erstmals in Berlin an.

Patty Schnyder (geb.14.Dezember 1978 in Basel) wird zu den jungen Wilden gezählt.Ihr gelang im vergangenen Jahr der Sprung auf Rang neun der Welt.Sie gewann in vier Jahren als Profi fünf WTA-Turniere, eines mehr als Tauziat in 16 Jahren.Doch zuletzt bestimmte die Schweizerin die Schlagzeilen der Gesellschaftsspalten wegen ihrer Trennung von Familie, Trainer und Freund und der Zuwendung zu dem "Wunderheiler" Rainer Harnecker.

DIETMAR WENCK

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