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Königsdisziplin? Bei der Abfahrt der Männer am Sonntag kam kaum Stimmung auf.

© Imago

Halbleere Ränge: Die unterkühlten Winterspiele von Sotschi

Noch will sich das Olympia-Gefühl nicht so richtig einstellen bei den Winterspielen in Sotschi. Der Auftakt blieb zumeist unterkühlt. Daran änderte auch Russlands erster Olympiasieg wenig. Das deutsche Team aber sieht kaum Grund zur Klage.

Leere Plätze auf den Tribünen, kaum Stimmung bei vielen Wettkämpfen und ein weitgehend verwaister Olympia-Park - zum Auftakt von Russlands ersten Winterspielen ist der Funke noch nicht übergesprungen. Nach der eher unterkühlten Eröffnungsfeier zeigten die TV-Bilder bei den ersten Entscheidungen am Wochenende immer wieder dünn besetzte Ränge und nur selten jubelnde Zuschauer. Auch Russlands erste Goldmedaille am Sonntagabend im Teamwettbewerb der Eiskunstläufer änderte wenig am eher ernüchternden Gesamtbild. Bei den Auftritten von Putin-Liebling Jewgeni Pluschenko und Co. bebte der Eisberg-Palast, bei den Küren der Konkurrenten war es dagegen fast ausnahmslos still oder es wurde sogar unsportlich gepfiffen.

Alexandra Kosterina vom Organisationskomitee räumte ein, dass es ein kulturelles „Motivationsproblem“ gebe. Aus dem deutschen Team gab es immerhin viel Lob für die reibungslose Organisation und die kurzen Wege zu den Trainings- und Wettkampfstätten.

Dennoch: Sotschis Olympia-Macher hätten sich den Auftakt ganz sicher emotionaler und spektakulärer vorgestellt. Schon der Wirbel um die Panne bei der Eröffnungsshow, als eine riesige künstliche Schneeflocke nicht wie geplant zu einem der fünf olympischen Ringe aufging, dürfte Kremlchef Wladimir Putin bei seinen Spielen missfallen haben. Olympia-Euphorie, Massenansturm und Jubel wie etwa beim Biathlon gab es bisher kaum. Elf Prozent der Besucher allein am Samstag seien gar nicht oder deutlich zu spät zu den Entscheidungen gekommen, erklärte OK-Spitzenfunktionärin Kosterina. Die Olympia-Organisatoren lassen angesichts der auffällig leeren Zuschauertribünen Plätze mit den zu Tausenden in Sotschi beschäftigten Helfern auffüllen. „Wenn es Plätze gibt, laden wir einige Volunteers ein“, sagte Kosterina am Montag. Wer nach seiner Arbeitsschicht frei hat, kann sich demnach Wettkämpfe anschauen.

Kosterina gab die Zahl der am Sonntag verkauften Tickets mit mehr als 59 000 an. Wie viele Eintrittskarten von Sponsoren aufgekauft wurden, sagte sie nicht. Die Organisatoren gaben die bisherige Auslastung bei den ersten russischen Winterspielen mit über 90 Prozent an. Konkrete Zahlen, wie viele Zuschauer tatsächlich erschienen, nannte das Komitee nicht.

Dabei blieb sogar beim zuvor gehypten Olympia-Debüt der Slopestyler im Extreme Park die erhoffte Party aus. Zwar urteilte IOC-Präsident Thomas Bach nach der sportlich hochwertigen Premiere: „Die Bilder waren absolut großartig.“ Doch das Publikum auf nur zu drei Viertel gefüllten Tribünen blieb reserviert. Sinnbildlich: Schon bevor US-Girl Jamie Anderson am Sonntag die Blumen für ihre Fahrt zu Gold entgegennahm, blickte sie auf unzählige weiße Sitze. Die Zuschauer hätten Anfahrtswege und scharfe Sicherheitskontrollen unterschätzt, erklärten die Organisatoren. Zudem wussten viele offenbar nicht, dass sie neben ihrem Ticket auch noch einen Fanpass als Zugangsberechtigung benötigen. Für Frust sorgen bisweilen auch ahnungslose Olympia-Helfer, die selbst einfachste Fragen nicht beantworten können.

Von solchen Sorgen allerdings scheint das deutsche Team weitgehend frei. „Mir gefällt es super“, sagte Eisschnellläuferin Monique Angermüller am Sonntag. Vor allem die mit Milliardenaufwand erbauten Sportstätten beeindrucken die Deutschen. „Unglaublich, was hier an Sportanlagen geschaffen wurden. Das ist eine neue Liga im Stadionbau“, schwärmte DOSB-Chef Alfons Hörmann am Sonntag bei einem Abstecher zum Eishockey. Aus seinen Gesprächen mit Athleten und Trainern könne er bislang „nur Gutes bis Herausragendes berichten“, sagte der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB).

Vor allem die Langläufer und Biathleten genossen bei ihren ersten Medaillenrennen echtes Olympia-Feeling. „Es ist toll hier. Die Stimmung bei unserem ersten Wettkampf war richtig gut, die Leute sind mitgegangen“, urteilte Langlauf-Bundestrainer Frank Ullrich, der seine elften Olympischen Spiele erlebt. „Insgesamt muss man sagen, dass die Spiele bislang schön sind.“ Rodel-Olympiasieger Felix Loch dagegen erklärte nach seinen ersten Läufen: „Vancouver war natürlich etwas ganz anderes. Da standen in der Zielkurve ja so viele Menschen.“ Auch Rodel-Kollege Andi Langenhan äußerte sich eher zurückhaltend: „Die Stimmung war in Ordnung, aber die Transportwege sind super.“ Wartezeiten gebe es nicht. „Das ist perfekt.“ Die Meinungen über Olympia in Sotschi gehen auseinander. Die einen wollen sich die Laune nicht verderben lassen. Viele Russen sind von weither aus dem Land mit den neun Zeitzonen angereist und froh über das internationale Flair hier. Aber viele fragen sich, was nach Olympia kommt. „Nur, weil jemand neue Kleidung anzieht und dann besser aussieht, heißt das ja nicht, dass er auch von innen jemand anders wird“, sagte die 32-jährige Dascha mit Blick auf die Neubauten.

„Es muss sich so viel mehr tun in diesem Land“, forderte die Olympia-Helferin. Die Kindererzieherin meinte, das viele Geld für eine Olympia-Show der Mächtigen hätte gut etwa in die maroden Schulen des Landes investiert werden können. „Aber damit hätten sie nicht international geglänzt.“ (dpa)

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