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Bei der WM vor drei Jahren in Leipzig holten die beiden DHB-Teams nur Bronze. Sie haben ab heute in Berlin also noch etwas geradezurücken.

© picture alliance/dpa

Hallenhockey-WM: Bleibt der Hallensport eine deutsche Domäne?

Die Teams des Gastgebers wollen beide Titel holen. Doch die Konkurrenz ist größer geworden.

Die Stimme von Lisa Altenburg klang ein bisschen belegt. In dieser Jahreszeit ist das erst einmal nichts Ungewöhnliches, möglicherweise aber hat es im konkreten Fall etwas mit dem zu tun, was am Wochenende passiert ist. Da ist Altenburg, 28, mit dem Club an der Alster in Stuttgart Deutscher Meister im Hallenhockey geworden. Zeit für ausgiebige Feierlichkeiten war nach dem Finale am Sonntag allerdings nicht. Altenburg musste schon am Montagmittag in Berlin sein, wo für sie an diesem Mittwoch mit dem Gruppenspiel gegen Russland die Weltmeisterschaft beginnt. So wenig Zeit zwischen zwei Großereignissen, „das ist schon eine spezielle Situation“, sagt die Stürmerin.

Speziell, aber für die deutschen Nationalteams auch nicht gänzlich ungewohnt. „Wir haben immer mit der Problematik zu kämpfen, dass wir am wenigsten Vorbereitungszeit haben“, sagt U-21-Nationaltrainer Akim Bouchouchi, der in Berlin als Headcoach der Frauen fungiert. Von den 24 Spielerinnen und Spielern, die bis Sonntag in der Max-Schmeling-Halle auf dem Feld stehen, waren am Wochenende zehn in Stuttgart im Einsatz. Am Dienstag haben die Deutschen erstmals in Berlin trainiert. „Ob eine Trainingseinheit ausreicht, wage ich zu bezweifeln“, hat der Berliner Martin Zwicker am Dienstagmittag gesagt. „Aber wir haben ja noch eine.“

Dass die Deutschen, Männer wie Frauen, trotzdem recht entspannt ins Turnier gehen, ist gewissermaßen historisch begründet. Hallenhockey war immer eine deutsche Domäne – und ist es auch weiterhin. Zwischen Oktober und Februar ruht in Deutschland der Spielbetrieb auf dem Feld, stattdessen findet ein eigener Bundesligabetrieb in der Halle statt. „Hallenhockey ist ein ganz wesentlicher Part des deutschen Klubhockeys“, sagt Wolfgang Hillmann, der Präsident des Deutschen Hockey-Bundes (DHB).

Immer noch eine Hallenmacht

Entsprechend gut beherrschen die Deutschen die Disziplin. Die Männer kassierten erst im Januar 2006, im 125. Länderspiel, ihre erste Niederlage überhaupt in der Halle. „Es ist nicht mehr so wie vor zehn Jahren“, sagt Bouchouchi, „aber wir sind immer noch eine Hallenmacht.“ Die Männer haben drei von vier Weltmeisterschaften gewonnen, dazu 15 von 18 Europameisterschaften. Die Frauen siegten bei zwei von vier WM- und bei 15 von 19 EM-Turnieren, zuletzt mit einem Perspektivteam vor drei Wochen in Prag. Von 124 Turnierspielen seit 1975 haben sie 110 gewonnen, die Männer 112 von 120.

Eigentlich wollte der Internationale Verband FIH die Hallen-WM komplett aus seinem Terminkalender streichen. Aber dagegen haben – aus verständlichen Gründen – gerade die Deutschen opponiert. „Wir haben hart kämpfen müssen“, sagt DHB-Präsident Hillmann. Der DHB sprang, nach Leipzig 2015, erneut als Ausrichter ein. Und die FIH hat die Garantie für zwei weitere WM-Turniere gegeben. Dass die Veranstaltung in Berlin auf überraschend große Resonanz stößt, die beiden Finaltage vermutlich mit je 8300 Zuschauern ausverkauft sein werden, ist daher eine wichtige Argumentationshilfe für den Weltverband, nicht am aktuellen Zustand zu rühren.

Sportlich geht es für die Deutschen in Berlin darum, die Verhältnisse wieder zurechtzurücken. Ziel ist es, „den Titel zurück nach Deutschland zu holen“, sagt Kapitän Martin Häner, nachdem beide DHB-Teams vor drei Jahren in Leipzig nur Bronze holten. „Alles andere, als zu sagen, wir werden Weltmeister, wäre nicht glaubwürdig“, sagt der Berliner Häner. Gerade weil die WM vor eigenem Publikum stattfindet, bieten die Deutschen diesmal ihre stärksten Spieler auf. Das war nicht immer so, weil die Variante auf dem Feld als olympische Sportart eindeutig Priorität genießt. Martin Zwicker zum Beispiel hat vor zehn Jahren in der Nationalmannschaft debütiert und noch nie bei einem Turnier in der Halle gespielt.

Andere Nationen bereiten sich seit langer Zeit vor

Ein Selbstläufer wie in der Vergangenheit aber ist die Halle für die Deutschen nicht mehr. „Andere Länder haben das Hallenhockey ein bisschen für sich entdeckt“, sagt Zwicker. „Sie wissen, da können sie was erreichen.“ Nationen wie Österreich, Polen oder Tschechien sind im Feld unter ferner liefen, in der Halle aber spielen sie weit vorne mit. Die australischen Männer bereiten sich seit einem Jahr gezielt auf die WM vor; die Belgier, im Januar Ausrichter der EM in Antwerpen, haben ihre Nationalspieler schon vor Monaten aus dem Ligabetrieb genommen.

Die deutschen Frauen hatten am Dienstag in einem Test selbst gegen Weißrussland (3:3) Probleme, aber Janne Müller-Wieland hat festgestellt, „wie wir von Minute zu Minute Fortschritte gemacht haben“. So ähnlich stellt sich das auch Bundestrainer Stefan Kermas für die Männer vor. Die Gruppenspiele ersetzen gewissermaßen die fehlende Vorbereitung, „um im Viertelfinale in Form zu sein“. Welcher Konkurrent sich wie lange vorbereitet hat, ist für ihn nicht wichtig. Er weiß, dass seine Spieler ausreichend individuelle Qualität dagegensetzen werden. Die Männer starten heute gegen Kasachstan in die WM. „Über Kasachstan weiß ich gar nichts“, sagt Kermas. „Ich habe auch keine Anstrengungen unternommen, etwas über Kasachstan zu erfahren.“ So viel Selbstbewusstsein muss einfach sein.

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