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Freundliche Handgreiflichkeiten. Stefan Orth (links), Präsident des FC St. Pauli, und Bastian Reinhardt, Sportchef des HSV, tragen das große Spiel im Kleinen aus.

© dpa

Hamburger Derby: Trikottausch vor dem Spiel

Der HSV tut so, als sei das Hamburger Derby nichts Besonderes – für den FC St. Pauli dagegen ist es das Größte. Die Ziele beider Vereine sind dennoch die gleichen: Deeskalation und drei Punkte.

So nah waren sich die Verantwortlichen seit Jahren nicht. Ein gemeinsames Essen auf Vorstandsebene, ein Tischfußballspiel zwischen Bastian Reinhardt, dem HSV-Sportchef, und St. Pauli-Präsident Stefan Orth, viele gute Worte in beide Richtungen, dann das Treffen von Pauli-Profi Charles Takyi und dem HSV-Spieler Guy Demel zwecks Trikotübergabe, am Ende der Woche sogar eine gemeinsame Pressekonferenz: Über allen symbolischen Taten der Tage vor dem ersten Derby am Millerntor stand ein Wort: Deeskalation.

Nach dem feigen Überfall einiger HSV-Hooligans auf Fans des FC St. Pauli vor vier Wochen – sie hatten ihnen nach dem Auswärtsspiel in Freiburg vor dem Altonaer Bahnhof aufgelauert – galt die Partie des FC gegen den HSV erst recht als Risikospiel. Da wollte niemand zusätzlich Öl ins Feuer gießen. Die Hamburger Zeitungen berichteten jeden Tag groß über das erste Derby seit acht Jahren, und natürlich kamen auch jede Menge Spieler zu Wort. Aber als hätten sie sich selbst Zurückhaltung auferlegt, gab es nichts zu hören, was die Fans des jeweils anderen Lagers zusätzlich hätte anstacheln können. So sagte HSV-Torwart Frank Rost: „Auch wenn es für viele Fans gegen St. Pauli um mehr geht – für uns sind vor allem die drei Punkte wichtig.“ Sein Trainer Armin Veh bemühte sich in jeder Äußerung, dem stadtinternen Duell nicht mehr Bedeutung als nötig beizumessen. Beim Kollegen Holger Stanislawski war es schon etwas anderes: „St. Pauli gegen den HSV in der Bundesliga, noch dazu bei uns zu Hause – das ist das Größte.“

Dass es am Sonntagnachmittag ausschließlich sportlich-fair zugeht, das hofft natürlich auch Stanislawski – wenn der Trainer des FC den eigenen Anhängern auch keine besondere Rolle zuschreiben will. Er sagt: „Die Fans des FC St. Pauli sind nichts Besonderes. Sie werden zu etwas Besonderem gemacht. Auch die Diskussion um den Kultverein FC St. Pauli verstehe ich manchmal nicht – niemand stellt die Frage nach dem Kult beim HSV, obwohl der HSV viel mehr Geld und Titel als wir hat.“ Viele HSV-Fans nervt es ja, dass die den Kommerz verabscheuenden Pauli-Anhänger sich mit ihrer ausgeprägt antisexistischen, antirassistischen und antifaschistischen Haltung manchmal als besonders gerieren. Stanislawski sagt: „Das sind Haltungen, die unseren Fans wichtig sind. Aber solche Einstellungen kann es auch bei Fans anderer Klubs geben.“

Wie bei „normalen“ Spielen auch werden die Gäste-Fans am Sonntag so herzlich wie möglich (oder nötig) empfangen: mit der inoffiziellen Vereinshymne. Beim HSV ist das Lotto King Karls „Hamburg, meine Perle“. Ein Lied, bei dem Holger Stanislawski eine Gänsehaut bekommt, wie er sagt. Es wird hoffentlich der Beginn eines fairen, spannenden Derbys sein – ohne irgendwelche Auseinandersetzungen hinterher. Die Verantwortlichen jedenfalls haben ihren Teil dazu beigetragen.

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