zum Hauptinhalt

Hamburger SV: Bernd Hoffmann: Mitgenommener Machtmensch

Die Fans wüten bei der Mitgliederversammlung des Hamburger SV gegen Präsident Bernd Hoffmann – der schlägt auch aus Frust über verpasste Erfolge um sich.

Minuten nach der schlimmsten Niederlage traute sich Bernd Hoffmann im Mai in die hinterste Ecke der Interviewzone im Bauch der Hamburger Arena. Er ging aufgekratzt hin und her, die kurzen Gespräche mit den Reportern waren seine Sofort-Therapie. So hatte man den Vorstandschef des HSV noch nie gesehen – im Munde die üblichen Worte der Zuversicht, Hoffmann ist ja notorisch optimistisch. Doch in den Augen schimmerte es. Hoffmann konnte noch so viele Worte aneinanderreihen, um sich das Aus des HSV im Pokalhalbfinale gegen Werder Bremen nach Elfmeterschießen von der Seele zu reden. Haften blieb der Eindruck, dass der Herrscher über 200 Angestellte, der selbstbewusste Chef von knapp 30 Einkommensmillionären so mitgenommen war, dass nur größte Selbstbeherrschung die Tränen daran hinderten, an seinen glatt rasierten Wangen herab zu laufen. An diesem Abend im Mai erlebte man einen Vereinslenker, der gern in den Arm genommen worden wäre.

Am Montagabend dagegen hatten die Fans bei der Mitgliederversammlung im Congress Centrum anderes im Sinn. Hoffmann sah sich 2000 aufgebrachten Fans gegenüber, die „Hoffmann raus!“ brüllten. Hauptthema war die Trennung von Sportchef Dietmar Beiersdorfer vor drei Wochen. Auch wegen Kompetenzstreitigkeiten war es zum Bruch zwischen den beiden Männern gekommen. Hoffmann sagte über den Montagabend: „Diese Emotionalität ist Teil der Aufgabe, die ich als Vorsitzender eines faszinierenden Vereins habe.“ Der HSV liegt dem 46-Jährigen mehr am Herzen, als mancher es glauben möchte. Es ist insofern unfair, Hoffmann nur als Analytiker, als gefühlskalten Machtmenschen darzustellen. Es war vielmehr so, dass die Niederlagen vom Mai – das Aus gegen Werder im Halbfinale von DFB-Pokal und Uefa-Cup – Hoffmann derart mitnahmen, dass er für Wochen ungenießbar war auf der Geschäftsstelle, dass er die ganze Arbeit von Sportchef Beiersdorfer plötzlich kritisierte, das Scouting, die Nachwuchsarbeit. Er vermutete nach vielen 16-Stunden-Tagen, nicht alle beim HSV hätten alles gegeben, um endlich einen Titel zu holen.

Hoffmann verschaffte sich Luft, artikulierte seinen Frust auf viel zu deutliche Art in Interviews: der Weggang von Trainer Martin Jol, die Trennung von Beiersdorfer – das sind nur Nachbeben der Verluste, die Hoffmann und sein HSV erlitten, als Werder ihnen alles nahm. So um sich schlagend handelt niemand, der nicht emotional ist. In Hoffmann nistete sich das Gefühl ein, noch mehr selbst bestimmen zu müssen, um dem vom Umsatz her zweitgrößten Klub der Liga endlich die Titelfähigkeit einzuimpfen.

Der Name Beiersdorfer steht am vorläufigen Ende einer langen Liste der Abgänge. Diese Liste beginnt mit Kurt Jara und Klaus Toppmöller, sie zieht sich über Thomas Doll und Huub Stevens bis zu Martin Jol. Amateurvorstand Reichert ging, weil er sich von Hoffmann nie ernst genommen fühlte. Seit Hoffmann am 1. Februar 2003 die Geschäfte beim HSV aufnahm, hat er den ganzen Verein durch Mut und Risikobereitschaft, getrieben von Machtstreben und Ungeduld, erheblich vorangebracht. Anfang des Jahrtausends stand der HSV kurz vor der Pleite. Inzwischen rennen Sponsoren dem Klub die Türen ein. Allein ein Titel fehlt als Ausweis von Klasse. Das wurmt Hoffmann, aber es treibt ihn auch an. Nur Marketing-Vorstand Katja Kraus hat es über all die Jahre an seiner Seite ausgehalten. Sie kann sein Tempo mitgehen. Sie lebt für den HSV. Für sie ist es selbstverständlich, den Urlaub in der Toskana zu unterbrechen, wenn der HSV ruft. Hoffmann hat es etwas schwerer: Seine vier Kinder und seine Frau Nicole murren, wenn in den kostbaren Urlaubswochen auf Mallorca ständig das Handy rappelt.

Die Anhänger sehen Hoffmann differenziert. Sie achten seine Leistungen beim Marketing, sie wissen, dass außer den Bayern kein Bundesligaverein zuletzt mehr für neue Spieler ausgegeben hat. Doch viele nehmen Hoffmann nicht ab, dass er „die Raute im Herzen trägt“. Als aalglatt wird er wahrgenommen. Dieser Anzugträger. Er sagt: „Hätte ich 300 Bundesligaspiele, wäre vieles leichter.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false