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Hamburger SV: Der Geist, den sie riefen

Auch in Bremen zeigt sich der Hamburger SV im Angriff ideenlos und mit wenig durchschlagskräftig – Rückkehrer Rafael van der Vaart soll das nun ändern.

Trikottausch nach einer Niederlage? Und dann auch noch mit den Bremern? Muss nicht sein! Also marschierten alle Hamburger nach dem 0:2 im Nordderby beim SV Werder im weiß-roten Klubtuch vom Platz. Alle bis auf Petr Jiracek.

Der defensive Mittelfeldmann ist gerade erst aus Wolfsburg zum Hamburger SV gekommen, und da er bei seinem Debüt gleich auf einen alten Bekannten traf, ließ sich das Ritual schwerlich vermeiden. Also tauschte Jiracek das Trikot mit dem Bremer Verteidiger Theodor Gebre Selassie, beide haben sie vor ein paar Wochen bei der Europameisterschaft noch für Tschechien gespielt. Als sich nun im Kabinengang die Mikrofone und Kameras auf Jiracek richteten, wehrte er scheu ab – „ich verstehe kein Deutsch“. Das ist der Integration eher hinderlich. Aber auf dem Platz wird bekanntlich eine eigene Sprache gesprochen, und weil der Tscheche trotz früher Fußprellung bis zum Schluss durchhielt, rühmte ihn Trainer Thorsten Fink schon als neuen Führungsspieler. Und was die Kommunikation mit den Kollegen betrifft: „Kein Problem“, sagte Fink, „Jiracek spricht hervorragend Deutsch!“

Es geht da offensichtlich noch einiges durcheinander beim Aufbau einer neuen Hamburger Mannschaft, die im 50. Bundesligajahr den so drohend wie nie erscheinenden Abstieg abwenden soll. Eigentlich war das gar keine Mannschaft. Der HSV zerfiel in Bremen in drei Teile: Ganz hinten spielte der großartige Torhüter René Adler in seiner eigenen Liga. Vor ihm mühten sich neun Feldspieler um defensive Stabilität (einigermaßen erfolgreich) und Kreativität (weniger erfolgreich). Und ganz vorn kämpfte der Stürmer Artjoms Rudnevs seinen aussichtslosen Kampf gegen die Vereinsamung. Es ist ja kein Zufall, dass der HSV in zwei Bundesligaspielen noch kein einziges Tor geschossen hat.

Wie soll nun zusammenwachsen, was nach zwei Niederlagen in zwei Bundesligaspielen und dem frühen Pokal-Aus noch nicht zusammengehörte? Vor allem durch Zuversicht, gespeist aus der Erkenntnis, dass es in Bremen längst nicht so schlecht aussah wie eine Woche zuvor gegen Nürnberg. Im Defensivverbund fühlten sich die Hamburger schon entscheidend auf dem Weg der Besserung. „Aus dem Spiel heraus hat Werder doch gar nicht so viel zustande gebracht“, befand Mannschaftskapitän Heiko Westermann. „Es ist nur leider so, dass wir uns mit den beiden Elfmetern gegen uns selbst bestrafen. Hinten hauen wir uns die Dinger selbst rein und vorne – da haben wir halt noch nicht allzu viel Durchschlagskraft.“

Um das zu ändern, hat der HSV Rafael van der Vaart verpflichtet. Und das Nordderby ließ sich durchaus interpretieren als ein 90 Minuten langes Argument für die Verpflichtung des Freigeistes, der in Tottenham zuletzt ein wenig zu frei über den Rasen geisterte und nicht mehr ins Konzept des rational denkenden Trainers Andre Villas-Boas passte. Beim biederen HSV ist dagegen viel Raum für Kreativität. „Rafael ist genau der Spieler, der uns fehlt“, sagte Verteidiger Marcell Jansen. „Er hätte die Bälle heute so gespielt, dass es den Bremern richtig wehgetan hätte.“

In Bremen saß Rafael van der Vaart als Zuschauer auf der Tribüne und war doch auf dem Rasen allgegenwärtig. Hat der Wirbel um ihn am Ende die Konzentration auf das Derby gestört? Da rollte Heiko Westermann mit den Augen. „Wer in so einem Spiel nicht mit voller Konzentration bei der Sache ist, hat in der Bundesliga nichts zu suchen.“ Auch sein Trainer sieht im Trubel um die prominente Akquise allenfalls ein Luxusproblem. „Selbstverständlich kann er die Last keineswegs allein tragen“, sagte Thorsten Fink, listete aber danach eifrig auf, was er sich so alles von van der Vaart erwartet: „Er ist ein hervorragender Fußballer und identifiziert sich mit dem Klub, er kann Tore schießen und welche vorbereiten. Und er ist ein Typ, der auf dem Platz auch mal den Mund aufmacht.“ Das kommt der Definition einer eierlegenden Wollmilchsau doch sehr nahe.

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