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© AFP

Hammerwerfen: Markus Esser: Abwurf vom Nullpunkt

Hammerwerfer Markus Esser steckte vor der WM in einer sportlichen Krise. Am Sonnabend konnte er sich trotzdem für das Finale qualifizieren.

Die Wasserfarbe hier kennt er von zu Hause, von Leverkusen. Die Spree ist genauso trüb wie der Rhein, so gesehen bietet Berlin für ihn nichts Neues. Das Brandenburger Tor aber, das kennt Markus Esser noch nicht, obwohl er seit zehn Jahren in Kienbaum, im Bundesleistungszentrum, trainiert. Also wird Esser am Dienstag mit der ganzen Familie, Frau, Tochter, Hund, hingehen wie ein ganz normaler Tourist. Die Frage ist nur, ob er auch so gut gelaunt sein wird wie der Durchschnitts-Besucher. Am Montagabend ist das Hammerwurf-Finale, da will Esser 80 Meter oder ein bisschen mehr werfen. Damit, schätzt er, gewinnt man eine Medaille. Am Sonnabend qualifizierte er sich problemlos mit 76,81 Metern fürs Finale, ebenso wie der Frankfurter Sergej Litvinov (77,68). Es lief bisher also alles nach Plan. Die Frage ist nur, warum Esser kurz vor der WM gesagt hat: „Ich gehe mit erhobenem Haupt an den Start in Berlin. Als Tourist bin ich nicht zur WM gereist.“

Warum? Weil Markus Esser immer ein bisschen hinterherläuft und deshalb oft das Gefühl hat, sich rechtfertigen zu müssen. Bei der WM 2005 hat er die Bronzemedaille um 19 Zentimeter verpasst. Danach verkündete er: „Wäre die WM in Deutschland gewesen, hätte ich Bronze gewonnen.“ Bei der EM 2006 hatte er ebenfalls Bronze verpasst, Platz vier. Und 2008 hatte er die Olympia-Norm erst eine Woche nach dem letzten Norm-Wettkampf geliefert. Der Verband nahm ihn trotzdem mit, eine kleine Gnade, da durfte Esser sich schon wieder rechtfertigen. Der Leverkusener wurde Siebter.

Esser hat einen Glatzkopf, der glänzt wie eine polierte Billardkugel, ein witziges Spitzbärtchen und immer einen Miniaturhammer des germanischen Donnergottes Thor um den Hals baumeln. Esser ist einer, der sich nicht in die Selbstgefälligkeit argumentiert, er gibt seine Probleme offen zu. Das ist sympathisch, aber sie waren eben trotzdem da, die Probleme. „Die bisherige Saison lief be...scheiden“, sagte der 29-Jährige noch am Freitag. Der Saisonauftakt lief noch gut, 77,54 Meter weit schleuderte er seinen Hammer in Halle an der Saale. „Damit hatte ich mein Minimalziel, die WM-Norm erreicht.“ Aber bitte, was sind schon 77,54 Meter?. Esser freute sich schon auf die Steigerung, die jetzt kommen sollte.

Es kam aber nur Frust. In der nächsten Woche warf er nämlich „totalen Käse“. Ein technischer Fehler hatte „sich eingeschlichen“, den er und sein Trainer Helge Zöllkau wochenlang nicht beheben konnten, weil sie gar nicht erst herausfanden, wo er lag. Vor allem war nun aber auch der Status des Markus Esser in Gefahr. Jahrelang war er der beste Mann in Deutschland, dreimal in Folge Deutscher Meister, zwischen 2006 und 2008. Aber jede Schwäche, die er sich jetzt leistete, stärkte Litvinov. Der Deutsch-Russe von der LG Frankfurt ist erst 22 Jahre alt, aber er kam 2009 nach vorne. Im Juni warf er schon 77,98 Meter. Es ging jetzt auch um die Ehre. In Ulm, bei den deutschen Meisterschaften, setzte sich Litvinov durch, der Seriensieger Esser wurde nur Zweiter mit 76,38 Metern.

Nun herrschte Alarmstufe eins. Der gute Auftritt in Berlin geriet in Gefahr. In Kienbaum fingen Esser und sein Trainer quasi von vorne an. „Bei Punkt null“, sagt Esser. Zwei Wochen lang intensive Arbeit, und als Esser danach beim Meeting in Leichlingen in den Ring stapfte, fühlte er sich aggressiv, entschlossen und gut. In Leichlingen warf er 79,43 Meter. Esser fühlte sich wieder als Hammerwerfer. „Dieses Niveau habe ich bis jetzt gehalten“, sagt er.

Er ist jetzt 29, das ist bestes Hammerwerk-Alter. Esser denkt noch lange nicht ans Aufhören. Bis 2011 ist er ohnehin bei der Bundeswehr, bis 2013 plant er mit seiner Karriere. Danach wird er wohl aufhören. „Die körperliche Belastung ist schon verdammt hoch“, sagt er. Manchmal erklärt er Bekannten, was er da leistet im Ring, wenn die Fliehkräfte auf seinen Körper wirken: „Stell Dir vor, du schleppst einen schweren Sack Kartoffeln nach Hause. Ganz schön anstrengend, die Belastung, was?“ Ja, sagt der Bekannte dann und nickt beeindruckt. Dann erklärt Esser grinsend: „Siehst Du, und die Belastung, die ich habe, ist ungefähr fünf Mal so hoch.“

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